HERZENSBRECHER Dreierkiste Kanadische Jungkunst mit Pathos und Ambitionen Xavier Dolan ist gerade mal 22, hat gerade erst seinen 2. Film gedreht und gilt als Wunderkind. Sein Erstling "I killed my mother" kriegte in Cannes eine lobende Erwähnung und wurde überall - außer bei uns - haltlos behudelt. Der Nachfolger ist etwas besser, wird weltweit mit Jean Luc Godard, Woody Allen und Wong Kar Wai verglichen, und nervt trotzdem jeden, der nicht ständig davon träumt, nochmal 21 zu sein. Xavier Dolan spielt Francis, einen Frankokanadier, der auf etwas ältere Männer und Frauen und ein James Dean-Outfit steht. Außerdem besorgte er die Kostüme und die Ausstattung, schrieb das Buch angeblich nach eigenem Erleben, schnitt den Film und spreizt sich in vielen Szenen derart, dass man eigentlich den Therapeuten rufen möchte. Aber er lässt auch andere gut aussehen. Francis und seine Dauerfreundin Marie gleiten sehr stylish durch Montreal, lernen Nicholas kennen, einen blond gelockten Jüngling, und verlieben sich beide in ihn. Schnell landen alle in einem Bett, aber ob sie da Sex haben, will Xavier nicht sagen. Zärtlich deutet er nur Berührungen an, mit wenigen Blicken entfacht er einen Wettstreit um den idealen Geliebten, und völlig unzusammenhängend äußern sich irgendwelche Interview-Partner über missglückte Beziehungen. Nicholas bezaubert Marie und Francis gleichermaßen, neigt sich aber keiner Seite offensichtlich zu. Marie und Francis klagen ihren offenbar problemlos dazwischengeschnittenen sonstigen Bettpartnern ihr Seelenleid, und Francis kriegt die kitschigeren Szenen, weil er gerne nackte Männer umarmt und weil man dazu so ambitionert Cocteau-Zeichnungen montieren kann. Statt nun an einem irgendwie utopischen Dreieck zu arbeiten führen sich Francis und Marie eher eifersüchtelnd auf und suchen jede Gelegenheit, sich für Nicholas als der ideale Partner darzustellen. Derweil baut Xavier Dolan schöne Bilder aus Gefühlsklassikern nach, unterläuft sie zuweilen mit der Banalität seiner Situationen, schwelgt in Zeitlupenpassagen, montiert lauthals symbolisch aus dem Focus geratene Schnappschüsse und tut alles, um sich als der neue Truffaut zu etablieren. Gefühl und Ironie, ein klassischer Kanon und eine verspielte Seele, Vintage und Pop. Das Filmkunstpublikum kommt mit dem Zitatezählen nicht mehr nach, wer aber in erster Linie eine moderne Liebesgeschichte sehen will, fühlt sich nach der dritten holzhammermäßigen Musikmontage mit "Bang Bang" tarantinoesk erschlagen. Immerhin in der Version von Dalida. Wing Les amoures imaginaires. Can 2010. R + B: Xavier Dolan K: Stéphanie Weber-Biron D: Xavier Dolan, Monia Chokri, Niels Schneider
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