HAVANNA MI AMOR

Leben & Soap

TV gegen Wirklichkeit - eine drollige Dokumentation über Cuba

Ein weiterer Film über Cuba? Einer, der sich aus purem kommerziellen Kalkül an den großen Erfolg von Buena Vista Social Club heranhängen möchte? Nö. Im Gegensatz zum feschen Wim kann Regisseur Uli Gaulke geradezu als Cubaexperte bezeichnet werden. Hatte er sich doch schon lange vor Wenders Dokumentationsversuch mit der Insel beschäftigt, was man dem Film auch deutlich anmerkt. Während Wim Wenders nur einen oberflächlichen Spaßfilm für menschliche Kleiderständer machte, bekommt man bei Havanna, mi amor auf witzige, teils anrührende Weise Einblicke in das Leben der Bewohner Havannas.
In einem Land, wo es nur zwei Fernsehprogramme gibt, von denen das eine ausschließlich dazu dient, politische Sendungen zu verbreiten, erhält das andere größte Aufmerksamkeit. Deshalb sitzen die meisten Cubaner Havannas allabendlich vor ihren Geräten, um die "Telenovela" zu gucken, welche sich nach langer Zeit wieder mit dem Leben im heutigen Havanna beschäftigte. Besondere Bedeutung erhält dabei in Gaulkes Film, wie in jeder Dokumentation, die Montage. Intelligent verbindet er Spielszenen der Serie mit Ausschnitten aus dem Leben der sieben Hauptstädter.
Gaulke setzt die klischeeüberladenen, vor Rührseligkeit nur so triefenden Bilder aus dem TV mit den persönlichen Dramen von Gladys, Silai, Felix, Juana, Marino, Vilma und José in Beziehung. Es entsteht das sensible Portrait eines Gemeinwesens, in dem Realitätsflucht zum Massenphänomen geworden ist. Und unwillkürlich stellt man sich die Frage, wie weit Deutschland mit seinen Daily Soaps und Talkshows davon eigentlich entfernt ist.
Es ist Gaulke gelungen, durch die Interviewführung auch intime Details herauszukitzeln, die ein mikroskopisch kleines und facettenreiches Abbild der Lebenswelt nachzeichnen. Havanna, mi amor ist ein Film über die kleinen und großen Tragödien sowie das Glück der Bewohner Havannas. Und auch in diesem Film ist die unterlegte Musik vom Feinsten.

Stefan Dabrock

D 1999. R & B: Uli Gauke. K: Axel Schneppat. 80 Min.