HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN

Der neue Besen
Mit seinem Helden wird auch der Film erwachsen

Die Leinwand ist schwarz. Nur in der der Mitte glüht ein Lichtlein auf. Geht aus. Glüht wieder etwas heller und kommt näher. Und das Publikum rast. Wir sehen ins Fenster eines 13jährigen, der in dunkler Nacht unter der Bettdecke an seinem Zauberstab rumfummelt, damit der endlich schönes grelles weisses Licht spendet. Was aber der mehrmals störend hereinplatzende Erziehungsberechtigte natürlich nicht mitkriegen darf. Denn Zaubern ist in den Ferien verboten. Und Subtexte ausplaudern verdirbt den Spaß.
Regisseur Alfonso Cuarón, der für den dritten Film nach J. K. Rowlings bisher fünf Harry Potter-Romanen Chris Columbus ersetzte, taucht dementsprechend die ganze Story in Schatten und Regen, kalten Wind und 2 Blenden Unterbelichtung. Und er lässt absichtlich Löcher im Plot, wo sein Vorgänger jede Ecke mit lustigem bunten Kitsch vollstopfte.
Der Gefangene von Askaban ist ohne Zweifel der beste Potter-Film bisher, was aber nur zum Teil daran liegt, dass schon das Buch besser als seine Vorgänger ist. Es ist nämlich auch viel dicker, was selbst für 141 Minuten Film mehr Straffung und Neuerfindung verlangt als blosses Bebildern. Etwa Cuaróns Einfall, seine deutlich pubertierenden Helden oft in Jeans und T-Shirt agieren zu lassen.
Der Stoff in Kürze: Ein entwichener politischer Gefangener der Zauberer-Welt, der Harrys Eltern auf dem Gewissen haben soll, will nun angeblich Harry ermorden. Er wird von seelen-saugenden "Dementoren" gejagt, die polizeilich auch mal über Leichen gehen. Ein guter Zauberer rettet Harry vor einer Fahndungs-Panne, später entpuppt der sich als böser Werwolf und noch später als noch was anderes. Während Harry ein Kuscheltier vor dem Friedhof bewahrt und ein anderes als Monster enttarnt und in einer komplizierten Zeitreise seinen Erz-Feind retten muss.
Ganz nachvollziehbar sind solche Umwertungen von Gut und Böse im Kino zwar nicht, manchen Dreh erkennt man nur in der Erinnerung an den Roman, aber dafür sieht man die Verdunkelung und Vertiefung des Kinderbuchs zum Teenager-Drama sehr deutlich.
Übrigens auch die Europäisierung. Vom schlechten Wetter bis zur heranwachsenden Hautunreinheit ist Potter 3 erstaunlich unamerikanisch. Vor allem aber im Mut zur Offenheit des Kunstwerks. Der Gefangene von Askaban funktioniert ohne seine Film-Vorläufer, aber nicht ohne die Textvorlage. Und sogar Buch und Film zusammen lassen noch viele Bilder als unheilvolles, unerklärtes Rätsel übrig.
Cuaróns Potter macht mehr offensichtliche "Fehler" als Columbus', aber er nimmt sich als "Film-zum-Phänomen" ernster. Als klassische Roman-Adaption ist er eine Katastrophe, als "interpretiertes Echo" ist er eine Schau. Und als radikal stilbrechende Fortsetzung ungefähr das Gegenteil von Batman 3: diesmal geht es vom Kostüm-Klamauk zurück zur Tragödie. Und am Ende holt Sidekick Ron schon mal den neuen Besen.

WING
USA 2004. R: Alfonso Cuarón, B: Steve Kloves, K: Michael Seresin, D: Daniel Radcliffe, Rupert Grind, Emma Watson, Robert Coltrane, Michael Gambon, Gary Oldman, Emma Thompson, Alan Rickman