HARD CANDY

Twisted Sister

Der Päderast und das Mädchen - ein intelligentes Spiel mit Erwartungen und Vorurteilen

Jeff Kohlver (Patrick Wilson) und Hayley Stark (Ellen Page) haben sich in einem Chatroom kennen gelernt und treffen sich nun zum ersten Mal in einem Cafe. Er, ein 32jähriger Fotograf, lässt die 14jährige Schülerin zwar wissen, dass er sich ihres Alters bewusst ist, dennoch flirtet er mit ihr, sagt ihr, wie erwachsen er sie findet und beeindruckt sie mit seinem Wissen über neue Bands.
Es wird unangenehm klar, wohin diese Reise führen wird, und als Hayley vorschlägt, zu Jeff nach Hause zu fahren, scheint ihr Schicksal besiegelt. Zumindest ist sie clever genug, ein Glas Wasser, das ihr Jeff eingegossen hat, nicht entgegenzunehmen und geht in die Küche, um selbst zwei Drinks zu mixen. Was dann auch dazu führt, dass Jeff plötzlich ohnmächtig wird und gefesselt wieder aufwacht. Hayley wusste scheinbar von vorneherein, mit wem sie es zu tun hatte und möchte nun sicherstellen, dass er seine sexuellen Fantasien nie wieder an einem unschuldigen Opfer auslebt.
Hard Candy ist ein ungewöhnlich schnörkelloses Psychoduell, dessen Balance auch nach diesem ersten Twist noch lange schwankt. Jeff ist offensichtlich ein Päderast. Wie weit er aber wirklich gegangen wäre, wissen wir nicht. Hayley wiederum wirkt äußerlich recht wehrlos und unschuldig, zeigt aber bald ihre aggressive Intelligenz und die Symptome einer soziopathischen Störung. Auch ihre Motive sind nicht ganz klar: Will sie Jeff für das bestrafen, was er ihr antun wollte? Will sie herausfinden, was mit einem verschwundenen Mädchen geschah, dessen Foto sie in Jeffs Tresor findet? Genießt sie es einfach, ihn zu foltern? Hard Candy stellt diese Fragen nicht direkt, sondern wartet, bis sie wie von selbst in unseren Köpfen auftauchen.
Musikvideoregisseur David Slade lässt in seinem Kino-Debut den Darstellern ausreichend Freiraum. Ellen Page, die 17 war, als die Dreharbeiten begannen, sieht so jung aus wie ihr Film-Charakter - die erotische Grundstimmung des Film wirkt irritierend, gerade weil der Film diese Stimmung angestrebt.
Hard Candy ist kein Film für ein Massenpublikum, die blutige Operationsszene an einer sehr sensiblen Stelle dürfte einen Großteil der männlichen Zuschauer zurück in die Lobby schicken. Aber er ist spannend, fordernd, intelligent, und ganz sicher ein Erlebnis, das man nicht vergisst.

Karsten Kastelan

USA 2005 R: David Slade. B: Brian Nelson. K: Jo Willems. D: Ellen Page, Patrick Wilson, Sandra Oh, Jennifer Holmes, Gilbert John