HAMBURGER LEKTIONEN
Mach mir den Mullah
Manfred Zapatka verliest zwei Hass-Predigten
Auf Wunsch der marokkanischen Hamburger Gemeinde, die sich was Flotteres wünschte, kam der Ex-Popsänger und Islam-Fundi Mohammed Fazazi Ende der 90er als Imam nach Hamburg. Seine engagierten Predigten erfreuten die Gemeinde, drei der 9/11-Attentäter lauschten ihm im Laufe der Zeit.
Zwei seiner beliebten Sessions (vom Januar 2000) wurden anonym auf Video festgehalten. Im Auftrag und abgefilmt von Romuald Karmakar (Himmler Projekt) liest Manfred Zapatka nun diese transkribierten und übersetzten Predigten vollständig vom Blatt.
Er sitzt dabei vor einer Studio-Wand und hält die Text-Blätter vor sich. Da bei der Original-Predigt schriftliche Fragen eingereicht werden durften, reicht im Film immer wieder eine anonyme Hand Zettelchen ins Bild, auf die Zapatka reagiert als habe er damit nun aber gar nicht gerechnet. Er muss also ab und zu den Fazazi spielen, andererseits verliest er dessen Rede, sachlich und recht unengagiert, spricht dabei die Fußnoten der Übersetzter und die "Regieanweisungen" gleich mit ("Es entsteht Unruhe im Raum", "Ein Ägypter stellt eine Frage".) und greift nach Zettelchen.
Was immer Karmakar sich dabei gedacht hat: Eine stärkere Verfremdung ist kaum denkbar. Ob das was fürs Kino ist, ist eine andere Frage. Die Hamburger Lektionen lassen sich jedenfalls auch mit geschlossenen Augen verfolgen.
Der Film präsentiert einen Text, der ursprünglich von einem ziemlich zotteligen Mullah mit beachtlichem Temperament gesprochen wurde, zum Teil in direktem Dialog mit seinem Publikum. Im Gegensatz dazu sitzt Zapatka in einem leeren Studio vor drei Kameras; abgesehen von dem kalten Händchen scheint sonst niemand da zu sein. Alles Emotionale und Sinnliche hat Karmakar aus der Darstellung entfernt. Die Hamburger Lektionen sollen als nackter Text über uns kommen.
Was da kommt, ist vor allem die Rachsucht eines mäßig intelligenten aber durchaus gewitzten Koran-Gelehrten, für den alles gottgegeben ist und der die "Umma", die muslimische Gemeinschaft, über alles stellt. Da "der Westen" der Feind ist, der die Muslime seit Jahrhunderten ausplündert und da Allah-Jünger das Volk Gottes sind, darf man allen Westlern die Kehle durchschneiden, Frauen und Kindern inklusive.
Schlauer sind die Reden von NPD-Funktionären meistens auch nicht, die man keinesfalls 133 Minuten lang ertragen möchte. Tatsächlich lebt der Film von dem Kitzel, dass wir wissen (und es in einer Einleitung sogar schriftlich kriegen), dass drei der "9/11"-Attentäter Schüler von Fazazi waren. Wie es heißt: Lieblingsschüler.
Was ohne dieses Hintergrundwissen nur das abstoßende Gerede eines religiösen Fanatikers wäre, bekommt so den Kick des Schaurigen: Guck mal an, der sagt "bringt sie um!" - und drei Gläubige tun das dann auch so richtig. Die Reinheit der Text-Präsentation funktioniert nicht. Vor sieben Jahren in Hamburg löste der Text vielleicht ein Terror-Attentat aus. Vom warmen Kinosessel aus sorgen die kunstvoll gesprochenen Sätze sieben Jahre später für frivoles Schauern: Gut, dass der weg ist - Fazazi sitzt inzwischen in Marokko im Knast
Die Wörter ändern ihre Bedeutung in der jeweiligen historischen Situation. Dass Karmakar dazu nichts einfällt, macht die Hamburger Lektionen zu einem Film, der auch Wolfgang Schäuble gefallen würde. Man hat es vor Augen, wie der deutrsche Innenminister aus dem Kino gerollt kommt mit ganz vielen neuen Ideen, was man alles verbieten könnte.
Allerdings: Auch angehenden Dschihad-Fans könnte der Film gefallen.
Die konzeptionelle Reinheit führt eben meistens direkt zwischen alle Stühle. Was ja keine schlechte Position ist.
Thomas Friedrich
D 2006. R & B: Romuald Karmakar. Übersetzung: Achmed Khammas, Günther Orth, Maria Legann, F. Franzmathes. Kamera: Fred Schuler, Frank Müller, Casey Campell. D: Manfred Zapatka
|