EIN (UN)MÖGLICHER HÄRTEFALL Ein seltsames Paar
Die Coens entdecken die Screwball-Comedy Mit Fargo , Big Lebowski und O Brother, Where Art Thou _ haben sich Joel und Ethan Coen weltweiten Kultstatus erarbeitet. Wenn die Gebrüder nun eine Komödie vorlegen, in der sich alles ums Heiraten dreht, wittern die Coolness-Puristen sofort Verrat. Vielleicht hilft es, sich in Erinnerung zu rufen, dass romantische Komödien unter dem Label der Screwball Comedy in den 40ern weitaus weniger verrufen waren. Da waren Regisseure wie Billy Wilder und George Cukor am Werk. Da ging es nicht um die immer gleichen Aschenputtel-Geschichten, sondern um die Erotik des Geschlechterkampfes. Katharine Hepburn und Spencer Tracy beharkten sich in geschliffenen Wortduellen, und die Kuvertüre der Versöhnung wurde erst in den letzten Minuten über den Kuchen gekippt. Die Coens erinnern sich in Ein (un)möglicher Härtefall einerseits an die ruhmreicheren Traditionen des Genres und haben es andererseits für unser Material-Girl-Zeitalter zugespitzt und modernisiert. Catherine Zeta-Jones spielt die ruchlose Heiratsbetrügerin Marilyn Rexroth - ein Name der nur zufällig danach klingt, als hätte die Monroe den früheren Bundeswirtschaftsminister geehelicht, aber damit trotzdem den Charakter der Scheidungsspezialistin treffend beschreibt. Vor Gericht trifft sie auf einen ebenbürtigen Gegner: Miles Massey (George Clooney) ist der König der Scheidungsanwälte und Autor eines Ehevertrages (dem "Massey-Pre-Nup"), der hundertprozentig vor Heiratsbetrug schützt. Ein ganzes Harvard-Semester hat sich an diesem juristischen Meisterwerk schon die Zähne ausgebissen, das Massey zum Millionär gemacht hat. Heiratswillige unterschreiben das Papier mit ehrfurchtsvoller Geste. Denn einerseits dokumentiert der Vertrag das Misstrauen der Ehepartner voreinander. Andererseits gilt in der High-Society von L.A. die Unterschrift auf einem "Massey-Pre-Nup" als ultimatives Liebesgeständnis. Das hellblaue, mehrseitige Papier wird in diesem Film mehrfach unterschrieben und im Liebesrausch wieder theatralisch zerrissen - sogar von seinem Schöpfer. Denn vom eigenen Zynismus gelangweilt, verliebt sich Massey in Marilyn. Eine wunderbar amoralische Seelenverwandtschaft und das wackelige Fundament gegenseitigen Misstrauens verbinden den Scheidungsanwalt und die Heiratsbetrügerin. Wie Raubkatzen schnurren Clooney und Zeta-Jones umeinander. Die Coen-Brüder verstehen es bestens, mit dem Glamour-Effekten ihres Optimalpaares zu spielen, und George Clooney liefert hier eindeutig die beste Vorstellung seiner Karriere. Aalglatter Anwalt, depressiver Karrierist, verliebter Trottel - mit sichtbarem Vergnügen wechselt er die Charakterfarben und balanciert seine Figur kunstvoll am Rande der Karikatur entlang. Ein (un)möglicher Härtefall ist vielleicht nicht der coolste Coen-Film aller Zeiten, aber in jedem Fall die bissigste und unterhaltsamste romantische Komödie der Gegenwart.
Martin Schwickert
Intolerable Cruelty R: Joel Coen B: Robert Ramsey, Matthew Stone, Ethan & Joel Coen K: Roger Deakins D: George Clooney, Catherine Zeta-Jones, Billy Bob Thornton
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