PEER GYNT

Das Fäustchen

Robert Stadlober spielt großes Theater im flachen Wasser

Eigentlich sollte es nur ein Fernsehstück werden. Der erfahrene Theaterverfilmer Uwe Janson adaptierte für Arte und den ZDF Theaterkanal den "Faust des Nordens" von Henrik Ibsen. Weil aber Robert Stadlober den jugendlichen irrenden Helden so schön spitzbübisch gab, und wohl auch weil mehrere Jungschauspielerinnen (Karoline Herfurth, Henny Reents, Pegah Ferydoni, Kathi Angerer) sich so reizend ohne Oberteil ausnehmen, kommt Peer Gynt nun nach der Fernseh-Ausstrahlung auch ins Kino. Die Filmbewertungsstelle vergab ein "wertvoll"-Prädikat dafür. Das kann man wohl übersetzen als: interessant, jedoch kein Grund zum Überschwang.
Peer Gynt, das Theaterstück von 1867, gilt als nahezu unspielbar. Fast vier Stunden lang und über 60 Jahre Spielzeit hinweg irrt der norwegische Hallodri durch eine allegorische Welt voller Trolle und Zauberer, Könige und Irrrenärzte, macht mehrere Frauen unglücklich und findet erst als alter Mann zurück zu seiner wahren Liebe. Peer Gynt, der Film, ist in der Fersehfassung 81 Minuten lang, spielt in einem zeitlosen Sommer auf Usedom und funktioniert vielleicht als Interpretation der Vorlage, kaum als eigenständige Geschichte.
Peer Gynt, arbeitsscheuer aber phantasiebegabter Bauernsohn, zieht aus, um irgendwo Kaiser zu werden. Er schwingt große Reden, spricht echten Bühnen-Text mit Verve und Ironie, und opfert dem Drang zur Selbstverwirklichung jede Verantwortung.
Eine Art Teufel (Ulrich Mühe) begleitet ihn auf seinen Reisen. Die führen ihn an viele Ufer, die alle irgendwie nach Usedom aussehen, auf Schiffsruinen, die etwas zu metaphorisch gestrandet herum liegen, zu jungen Mädchen hier und da ... und überall scheint er etwas zu lernen.
Was genau, bleibt im Film unklarer als im Original. Uwe Janson wollte weniger Moral und mehr Leichtigkeit, erreicht hat er einen modernen Hans Dampf in einem gespielten Witz: was, wenn man sich selbst findet, und da ist dann gar nichts?
Es sieht immerhin gut aus. Der Sommer flirrt, das Gras geht hoch, die Wellen wogen, lustig flattern die Kleider der Mädchen im Wind. Und hin und wieder macht es einen feinen Effekt, wenn Alltagssprache in den Bühnenton einbricht. Als er mal wieder phrasendreschend davon flunkert, wie toll er einmal sein wird, gibt ihm seine Mutter (hinreißend: Susanne-Marie Wrage) einen liebevollen Klapps: "Du Arsch".

WING

Peer Gynt. D 2006, R/B: Uwe Janson, K: Philip Sichler, D: Robert Stadlober, Ulrich Mühe, Susanne-Marie Wrage, Karoline Herfurth, Henny Reents, Pegah Ferydoni, Kathi Angerer