KISS ME GUIDO


Allein unter Männern

Ein Hetoro gerät in die falsche Szene

In den USA sind die Straßen breiter, die Häuser höher und die Gay-Communities größer. Letzteres hat dazu geführt, daß es dort etwas gibt, was hierzulande leider fehlt: eine schwule Independent-Filmkultur, die es durch ihre unübersehbaren Erfolge geschafft hat, daß Homo-Themen auch ins Mainstream-Kino aufgenommen werden. Die Independent-Produktion Kiss me Guido schlägt nun sozusagen den umgekehrten Weg der Akzeptanz ein, indem sie um Verständnis für heterosexuelle Zeitgenossen wirbt - klar, daß daraus eine Komödie werden muß.
Frankie Zito (Nick Scotti) ist ein "Guido", womit im New-York-Slang jene nett-naiven Machos italienischer Abstammung bezeichnet werden, die zwar hübsch anzusehen, jedoch geistig etwas schwerfällig geraten sind. Frankie schwärmt für Al Pacino und Robert De Niro und garniert die Pizzen, die er in der Bronx verkauft, gerne mit dem ein oder anderen Filmzitat. Als er seinen Bruder mit seiner Freudin kopulierend im Wohnzimmer überrascht, beschließt Frankie die Bronx, die Familie und das Bäckerhandwerk hinter sich zu lassen, um in Manhattan sein Glück als ambitionierter Schauspieler zu versuchen.
"GWM" ist im politisch korrekten Sprachgebrauch die unmißverständliche Abkürzung für "Gay/White/Male". Frankie übersetzt allerdings die drei Buchstaben mit "Guy with money", und diese Verwechslung in einer Wohnungsanzeige bringt den unbedarften "Guido" aus der Bronx mittenhinein in die schwule Subkultur New Yorks. Warren (Craig Chester), ein unterengagierter, liebeskummergeplagter, schwuler Schauspieler, möchte seinen neuen Mitbewohner gleich am nächsten Tag wieder hinauswerfen. Für soviel heterosexuelle Naivität fehlen ihm die Nerven. Frankie stellt im Millieu schwuler Selbstverständlichkeit immer zur falschen Zeit die falschen Fragen, und auch die Gay-Community betrachtet den heterosexuellen Prototypen wie einen Außerirdischen. Daß Frankie und Warren über alle Barrieren hinweg doch noch Freunde werden und Frankie sogar seine erste Bühnerolle in einem Szene-Theaterstück bekommt, ist zwar voraussehbar, aber der Weg dorthin ist in höchstem Maße unterhaltsam.
Genüßlich spielt Kiss me Guido das Zusammentreffen von zwei hermetisch voneinander getrennten Welten aus, und nur die Tatsache, daß Ex-Model Nick Scotti als Frankie für einen heterosexuellen Pizzabäcker einfach zu hübsch ist, raubt der Komödie ein wenig die Glaubwürdigkeit. Vergleicht man Kiss me Guido mit thematisch verwandten deutschen Komödien wie Echte Kerle, fällt wohltuend auf, daß Regisseur und Drehbuchautor Tony Vitale weiß, wovon er erzählt, während seine deutschen Kollegen immer nur versuchen, ihre biederen Geschichten mit ein wenig schwulem Lametta zu schmücken.

Martin Schwickert