DER GUTE HIRTE
Alles auf Anfang
Robert de Niro inszeniert die CIA-Geschichte
Hier bei mir bist du sicher" flüstert zu Beginn eine Stimme aus dem Off. Wie ein Mantra wird der Satz, den eine Frau während einer Liebesnacht einem Mann ins Ohr haucht, immer wieder eingeblendet. In der Sehnsucht nach Sicherheit liegt die Versuchung in Robert De Niros Der gute Hirte, der die Entstehungsgeschichte des CIA vom Zweiten Weltkrieg bis in die 60er-Jahre nachzeichnet.
Im Zentrum steht der Literaturstudent Edward Wilson (Matt Damon), der als Mitglied der elitären Studentenverbindung "Skull and Bones" (zu der übrigens auch der amtierende US-Präsident gehört) mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zunächst als Spitzel des FBI angeworben wird und später in Großbritannien die amerikanischen Geheimdienstaktivitäten gegen Deutschland leitet. Den ersten Verrat begeht er an einem Poesie-Dozenten, dem gute Beziehungen zum faschistischen Deutschland nachgewiesen werden sollen. Den Einberufungsbefehl bekommt er am Tage seiner Hochzeit.
Wilson ist froh, aus der aufgezwungenen Ehe mit der Senatorentochter Clover (Angelina Jolie) flüchten zu können, die er nur geheiratet hat, weil sie ein Kind von ihm erwartet. In London wird er von dem britischen Geheimdienstler Arch Cummings (Billy Crudup) in die moralischen Untiefen der Agententätigkeit eingeführt. Misstrauen wird zum zentralen Axiom im Leben Wilsons, der seine Arbeit planvoll und emotionslos verrichtet. Mit Beginn des Kalten Krieges ist Wilson maßgeblich an der Gründung der CIA beteiligt.
Von all dem erfährt man häppchenweise in einer losen Rückblendensammlung, während sich die Haupthandlungsebene mit der geplatzten CIA-Operation 1961 in der Schweinebucht auseinandersetzt. Eine undichte Stelle in der Chefetage der Firma wird für das Scheitern der Invasion auf Kuba verantwortlich gemacht. Wilson, der für die Operation verantwortlich zeichnet, wird durch eine anonyme Filmaufnahme auf die Spur des potentiellen Verräters gebracht. Auf grobkörnigem Celluloid erkennt man nur schemenhaft zwei Liebende und zwischen den verrauschten Tonaufnahmen hört man jenen geflüsterten Satz: "Hier bei mir bist du sicher".
Der gute Hirte lenkt den Blick auf die Mechanismen der Geheimdiensttätigkeit, die die Persönlichkeit der Agenten zwangläufig nach den Zielvorgaben der Firma prägen. Drehbuchautor Eric Roth entwirft in epischer Breite ein historisches, gesellschaftliches und psychologisches Panorama der Gründungszeit der CIA, deren Glaubwürdigkeit als Institution der nationalen Sicherheit nicht erst seit dem 11. September stark gelitten hat. Mit 167 Minuten deutlich überdimensioniert hat De Niros zweite Regiearbeit einige Längen, was auch damit zu tun hat, dass der stoizistische Charakter der Hauptfigur nicht wirklich die Herzen der Zuschauer an sich bindet.
Martin Schwickert
The Good Shepherd USA 2006 R: Robert De Niro B: Eric Roth K: Robert Richardson D: Matt Damon, Angelina Jolie, Alec Baldwin , 167 Min.
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