ROAD TO GUANTANAMO
Spricht jemand Englisch? Wie man in die Fänge der US-Terrorjäger gerät
Der britische Regisseur Michael Winterbottom (In This World) erzählt in seinem Dokumentar-Spielfilm von vier jungen Briten pakistanischer Herkunft, die vom englischen Tipton nach Pakistan aufbrechen. Eigentlich soll Asif sich dort mit seiner zukünftigen Braut treffen, die seine Mutter für ihn in der alten Heimat ausgesucht hat. Seine Freunde begleiten ihn im Sommer 2001 auf die Reise, aber als in einer Moschee in Karachi der Imam die Gläubigen dazu aufruft, den Glaubensbrüdern in Afghanistan zu helfen, entschließen sich die jungen Männer spontan zu einem Trip über die Grenze.
Eine Mischung aus Abenteuerlust und humanitärem Hilfsbedürfnis treibt sie an. Kurz nachdem sie die Grenze überschritten haben, beginnen die US-Streitkräfte mit der Bombardierung Afghanistans. Eine Odyssee beginnt durch ein Land, dessen Sprache sie nicht verstehen, bis sie schließlich in die Gefangenschaft der Nordallianz geraten. "Spricht jemand Englisch?", ruft der Wärter irgendwann durch die enge Massenzelle. Asif meldet sich, und das ist vielleicht der größte Fehler seines Lebens gewesen. Die US-Armee und später auch die britischen SAS-Soldaten verhören die jungen Männer, prügeln sie, stellen immer wieder dieselbe Frage: Gehörst du zur Al Quaida? Ein Nein wird als Antwort nicht akzeptiert, und nach Wochen werden sie von der US-Army nach Guantanamo verbracht.
"Ihr seid jetzt das Eigentum der US-Marines. Das ist eure Endstation!" - mit diesen Worten werden die Gefangenen begrüßt. Immer wieder Verhöre. Immer wieder die gleichen Fragen. Schließlich ein verschwommenes Video, auf dem die drei bei einer Versammlung mit Osama Bin Laden zu sehen sein sollen. Zwei Jahre und drei Monate sind die jungen Männer in dem Lager.
Winterbottom verlässt nie die Perspektive der Betroffenen und schneidet in die Spielfilmhandlung immer wieder Interviewsequenzen mit den drei Männern ein, die detailliert von den Verhören, den inhumanen Lagerbedingungen und Folterungen berichten. Winterbottom hat daraus einen sehr dynamischen Dokumentarspielfilm geschnitten, der nur manchmal auf der Musikspur etwas ins Spekulative ausfranst.
Road to Guantanamo ist nicht das, was man großes politisches Kino nennen könnte, aber Winterbottom ist eine präzise Studie über Menschen gelungen, die unschuldig in die Mühlen unserer Zeitgeschichte geraten sind. Und eine parteiische Innenansicht auf ein Internierungslager, das längst zum Symbol der moralischen Bigotterie des amerikanischen Krieges gegen den Terror geworden ist.
Martin Schwickert
GB 2006 R&B: Michael Winterbottom, Mat Whitecross D: Rizwan Ahmed, Farhad Harun, Waqar Siddiqui, Arfan Usman
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