GRACE IS GONE Kriegsfolgen John Cusack als alleinerziehender Vater will über den Krieg nicht sprechen. Das hat er mit dem US-Publikum gemein, das bis jetzt jeden Film über den Irak-Überfall floppen ließ und auch »Grace is Gone« ignorierte. Wenn der Vater nach Hause kommt, schaltet die Tochter schnell den Fernseher aus. Dabei sind die verbotenen Bilder, die sie sich heimlich angeschaut hat, durchaus jugendfrei und flimmern in anderen Haushalten tagtäglich unzensiert über den Bildschirm. Aber den beiden Phillips-Töchtern ist es streng untersagt, sich die Kriegsberichterstattung aus dem Irak anzuschauen. Als Berufssoldatin ist ihre Mutter an der fernen Front, während Stanley (John Cusack) zu Hause die Stellung hält. "Ich war stolz darauf, sie gehen zu sehen" berichtet er in der lokalen Selbsthilfegruppe über den Abschied. Die Soldatenbräute nicken dem einzigen Mann in der Runde verständnisvoll zu. Sie wissen, dass solche Sätze wie Barrikaden sind, hinter denen sich die Angst vor dem Verlust versteckt. Und der lässt in James C. Strouse Kinodebüt Grace Is Gone nicht lange auf sich warten. Die Kinder sind schon in der Schule, als die beiden Uniformierten die Todesnachricht überbringen. Wie paralysiert bleibt Stanley den halben Tag im Bademantel auf dem Sessel sitzen. Als Heidi (Shelan O'Keefe) und Dawn (Gracie Bednarczyk) nach Hause kommen, versammelt der Vater die Töchter im Wohnzimmer, schafft es aber nicht, den Kindern die traurige Wahrheit zu erzählen. Statt dessen lädt er die beiden spontan zu einem Ausflug in den Vergnügungspark "Enchanted Gardens" ein. Die mehrtägige Fahrt vom trüben Minnesota ins sonnige Florida ist ein langsam scheiternder Fluchtversuch. Als vollkommen entschlacktes Road-Movie setzt Strouse sein familiäres Trauerspiel in Szene. Die immer gleichen Highways, Hotels, Shopping-Malls und Fast-Food-Ketten ziehen am Autofenster vorbei, während sich Vater und Töchter langsam zueinander und zur schmerzlichen Wahrheit vortasten. Ungeheuer präzise spielt John Cusack den verschlossenen Familienvater, der selbst von einer Militärkarriere geträumt hat, jedoch nach der Grundausbildung wegen Kurzsichtigkeit aus der Armee entlassen wurde. Kilometerweit entfernt von den eigenen Gefühlen scheint sich dieser Mann durch sein Leben zu bewegen. Langsam zerfällt auf der Reise der Schutzmantel väterlicher Autorität, mit der er sich bisher gegenüber den Kindern positioniert hat. Die emotionale Ungelenkigkeit findet ihre Entsprechung in der politischen Scheuklappenmentalität, die sich der Film gemeinsam mit seinem Antihelden zu eigen macht. Nur kurz leuchtet im Streitgespräch mit dem Bruder (Alessandro Nivola) der tagespolitische Kontext des Irakkonfliktes auf, bevor Stanley die Diskussion mit wasserdichten patriotischen Phrasen beendet. Gezielt erzählt Strouse die Geschichte über die Folgen des Krieges an der Heimatfront aus der eingeengten Familienperspektive. Das erspart dem Publikum politische Bekenntnispredigten und kriegerische Gewaltexzesse und soll den Film für das liberale Amerika ebenso konsumierbar machen wie für das konservative Zuschauerklientel. An den US-Kinokassen ging diese Strategie jedoch nicht auf. Die strikte Weigerung des heimischen Publikums, sich im Kino mit dem Krieg im Irak auseinander zu setzen, traf auch diesen weich gezeichneten Film in voller Härte. Mit wenigen Kopien gestartet spielte "Grace Is Gone" in drei Monaten gerade einmal 50.000 Dollar ein. Martin Schwickert USA 2007 R&B: James C. Strouse K: Jean-Louis Bompoint M: Clint Eastwood D: John Cusack, Shélan O'Keefe, Gracie Bednarczyk, Alessandro Nivola
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