GHOST WORLD

Falsches Universum

Thora Birch verliebt sich in Steve Buscemi

Im uniformen amerikanischen High-School-Leben ist Enid eine stolze Außenseiterin. Durch die dicke Hornbrille, die ihr Gesicht verstellt, schaut sie auf die Welt mit unnachgiebiger Härte. Niemand ist vor ihren sarkastischen Kommentaren sicher. Enid wird von Thora Birch gespielt, die schon in American Beauty die verlogene Erwachsenenwelt mit kaltem Blick sezierte. Ghost World führt die Figur weiter und rückt die Teenagerperspektive in den Mittelpunkt.

Eltern, Lehrer und auch Mitschüler werden zu Aliens, mit denen Enid und ihre einzige Freundin Rebecca (Scarlett Johansson) nur widerwillig in Kontakt treten. Ohnehin sind die beiden zu schlau für diese Welt, und in der innerstädtischen Monotonie aus Shopping-Malls, Starbucks-Cafés und McDonalds-Filialen bleibt ihre Suche nach intelligenten Lebensformen meistens ohne Erfolg. Den High-School-Abschluss haben sie gerade in der Tasche. Die Sommerferien breiten sich vor ihnen aus und dahinter lauert ein Leben, mit dem sie nichts anzufangen wissen.

Aus einer Laune heraus antworten die beiden auf eine Kontaktanzeige, beobachten den Wartenden im Café feixend aus sicherer Entfernung und verfolgen ihn bis nach Hause. Dabei entwickelt Enid eine seltsame Faszination für ihr Opfer und nimmt vorsichtig Kontakt mit dem etwas schrulligen Seymour (Steve Buscemi) auf. Der vollkommen uncoole Mittvierziger sammelt alte Bluesplatten und hat sich in die eigene Lebenswelt eingesponnen. Mit 99% der Weltbevölkerung kann ich nichts anfangen, sagt er und durch seine Eigenbrötlermarotten ist auch der Kontakt zur weiblichen Population verstellt. Aber Enid schätzt die Aufrichtigkeit dieses tragischen Individualisten und entdeckt in Seymour ihren ersten Seelenverwandten in der Erwachsenenwelt.

Das sichere Gefühl, im falschen Universum geboren zu sein, gehört zur Pubertät wie Pickelcreme und Deospray. Ghost World zeigt die Melancholie des Teenagerdasein aus der Außenseiterperspektive, weil man von dort die bessere Sicht auf die verwirrten Gefühlslagen hat. Regisseur Terry Zwigoff blickt auf seine Figuren mit zärtlicher Genauigkeit und ohne altväterliche Verklärungsmuster. Thora Birch spielt die junge selbstbewusste Exzentrikerin mit unbestechlicher Intensität und gibt mit dem in sich zusammen gesunkenen Steve Buscemi eines der schönsten ungleichen Leinwandpaare ab. Dass die freche Göre und der lebensuntüchtige Alte sich kurz ineinander verlieben - sogar hierfür findet der Film die richtige Tonlage fernab aller Lolita-Klischees. In Zeiten, in denen Hollywood mit Brachialkomödien und Abschlussball-Schmonzetten beharrlich an der Verblödung der Weltjugend arbeitet, ist Ghost World das notwendige Gegengift.

Martin Schwickert

USA 2000 R: Terry Zwigoff B: Terry Zwigoff und Daniel Clowes nach dessen gleichnamiger Comic-Vorlage K: Alfonso Beato Start. D: Thora Birch, Scarlett Johansson, Steve Buscemi