GOSFORD PARK Treppauf, treppab
Robert Altman tut Agatha Christie einen in den Tee Man kann den Film als bösen Krimi sehen. Der erst 90 Minuten lang offen lässt, wer eigentlich ermordet wird. Und dann in einer halben Stunde abkaspert, dass erstens sowieso jeder einen Grund gehabt hätte, zweitens die Polizei sich nicht für den Täter interessiert und drittens die wirklich Wissenden nichts sagen, nicht mal einander, was sie noch unglücklicher macht. So ärgert man sich aber nur. Oder man sieht mit einer hochgezogenen Augenbraue, einer Zunge in der Backe und einer Träne im Knopfloch dem Totentanz einer Epoche zu. Anfang der 30er, auf einem englischen Landsitz. Eine illustre Schar von Baronessen, Kriegshelden, Halb-Adligen, Neureichen und Bald-Pleitiers versammelt sich zu einem Jagd-Wochenende. Dazu als Party-Schmuckstück ein aufstrebender Hollywood-Produzent und ein absteigender einheimischer Edelmann-Darsteller (Ivor Novello, der sich wirklich damals die Karriere mit Hitchcocks erstem Film ruinierte). Die meisten haben ihre Dienstboten im Gepäck, und die spiegeln den Klassen-Dünkel ihrer Herrschaften in der Gesinde-Etage wieder. Aber auch die Bruchstellen im Feudal-System. Die hat nur ein billiges Kleid, der hat sich schlimm verspekuliert, jene bangt um ihre Apanage, dieser hat unter Stand geheiratet und ein uneheliches Kind, das nie erwähnt wird. In Nebensätzen deutet sich ein Geflecht von Geheimnissen an, das oben und unten enger verbindet als beide Schichten wahr haben wollen. Durch Zufall führen einige davon zu einer Leiche, nur sehr am Rande wird ermittelt, wie es zu ihr kommen konnte. Viel mehr Sorgfalt verwendet Altman auf Atmosphären und Apercus: wie sich die feinen Leute gepflegt beleidigen, wie das Personal die interne Rangordnung eifersüchtig hegt, wie nicht einmal die Katastrophe den routinierten Untergang der Dinge aufhält. Oder wie im allmählichen Zerbrechen der alten Ordnung jeder seine Nischen für etwas Glück oder Demütigung des Konkurrenten findet. Robert Altman hat sein riesiges Ensemble gut im Griff. Meist englische Bühnengrößen brillieren in Hunderten kleiner Szenen, und wenn mal der eine Lord, der andere Butler etwas im Strudel der Ereignisse untergeht, und die eine oder andre Bösartigkeit an Altersmilde leidet ... der Directors Cut wird sicher kommen.
WING
USA/GB/D/I 2001, 137 Min., R: Robert Altman, B: Julian Fellowes, K: Andrew Dunn, D: Michael Gambon, Kristin Scott-Thomas, Maggie Smith, Charles Dance, Helen Mirren, Emily Watson, Kelly MacDonald, Derek Jacoby, Allan Bates u.v.a.
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