DIE REISE INS GLÜCK

Urin-Instinkt
Wenzel Storch ist der König der Anarchen

Etwas über 10 Jahre ist es her, da bastelte Wenzel Storch im Hobbykeller die wilde Trash-Klamotte Sommer der Liebe zusammen, stieg zum "verrückten Genie" in "Titanic" und "Spiegel" auf - und begann sofort mit einem neuen Projekt: dem definitiven No-Budget-Monumentalschinken mit Laien-Darstellern. Der Titel änderte sich mehrmals, die Geschichte ging hinter ständigen Umbauarbeiten beinahe verloren, und nach jahrelanger Prockelei waren alle Filmförderungs-Gelder für eine barocke Kulissenlandschaft in einer Industriehalle bei Hildesheim verbaut. Große Bild-Reportagen, etwa in "Geo", versprachen mindestens Fellinis Kleopatra oder Jules Verne in der Monty Python-Version. Aber erst mussten mehrere Benefiz-Galas den "Filmemacher in Not" vor der Pleite retten. Nach drei Jahren Postproduction ist nun das Ergebnis da: Die Reise ins Glück. Kanadische Kritiker überschlugen sich vor Begeisterung, deutsche halten es, jedenfalls jenseits der TAZ und Trash-Fanzines, eher mit dem entsetzten Team, das nach der Premiere fragte "Wenzel, was hast du dir dabei eigentlich gedacht?"
Ungefähr dies: Jürgen Höhne (die Knubbelnase aus Sommer der Liebe) will sich als Kapitän Gustav eines skurrilen Schneckenschiffs zur Ruhe setzen, gerät aber an den bösen König Knuffi, den er auf Kindesbeinen mal aus einem Eissee rettete, weil Gustav das Einbruch-Loch immer wieder frei pinkelte. Später klaute er ihm die Frau, diverse Rechnungen sind also offen.
Allerlei sprechende Tiere spielen mit (ein tropischer Frosch, ein weißes Kaninchen und ein echter Bär als 1. Offizier - synchronisiert von Harry Rowohlt), eine geschminkte Neger-Kapelle performt immer wieder den selben Max Raabe-Song, zwei fiese Minister mit Harndrang urinieren überall herum, blöde Höflinge werden mit Mini-Bombem im Hors d'oeuvre zersprengt, einige Gehirne kommen in die Waschmaschine, das Schneckenschiff vergeht sich an einer Kirche, Gustav im Taucherglockeanzug an ... aber lassen wir das. Am Ende wird die eigensinnig verwilderte Groteske doch noch halbwegs rund. Drei Scheemänner korrigieren den Zeitablauf, mehr wird nicht verraten.
Da passt was nicht: der wilde Traum des Eigenbrötlers, gemacht aus Goldlack, blauem Samt und Schrott, sprengt jede Storyline und möchte wohl so gerne art brut werden - während umgekehrt die immerhin noch sichtbaren Bemühungen um dramaturgische Logik erst enthüllen, dass der Irrwitz eher plüschig ausfällt, Gore mit Edelkirsch. Alten Damen an die Brüste gehen, mein Gott, wie tabulos.
Die Reise ins Glück ist ein Kindergeburtstag mit LSD und Robby Bubble im selben Bowle-Glas, aber kein Film.

WING
BRD 2004. R: Wenzel Storch, B: Wenzel Storch / Matthias Hähnisch, K: Wenzel Storch, D: Jürgen Höhne, Jörg Buttgereit u.a.