GIULIAS VERSCHWINDEN

Lamento-Gruppe

Eine verquasselte Komödie übers Älterwerden

Uns Alte sieht man nicht mehr. Wir sind unsichtbar" sagt eine alte Frau in der Straßenbahn, als Giulia (Corinna Harfouch) die Tasche nicht vom Nebensitz nimmt. Kurz darauf ist ihr Spiegelbild auf der Fensterscheibe verschwunden. Beim Aussteigen rempeln die anderen Fahrgäste sie an, als würden sie Giulia gar nicht bemerken.

Eigentlich ist Giulia auf dem Weg zu ihrer eigenen Geburtstagsfeier, die sie mit einer Hand voll Freunden in einem Restaurant begehen will. Kein leichter Tag, der Fünfzigste. Mit dreißig ist die Jugend zu Ende. Mit vierzig stürzt man in die Midlife-Crisis und versucht das Ruder noch einmal herum zu reißen. Aber mit fünfzig ist man definitiv über die Lebensmitte hinaus und bekommt ein deutliches Gespür für die Endlichkeit.

Über das Älterwerden kann man viel lamentieren. Ändern tut sich dadurch nichts. Der Schweizer Regisseur Christoph Schaub und sein Drehbuchautor Martin Suter (Lila, Lila) tun es trotzdem, und zwar so ausdauernd, dass man sich nach nur 87 Kinominuten um Jahre gealtert fühlt, obwohl die Angelegenheit eigentlich als locker gestrickte Komödie angelegt ist.

Während Giulia ihre eigene Geburtstagsfeier schwänzt und sich von einem älteren Geschäftsreisenden (Bruno Ganz) in einer Bar umgarnen und lebensphilosophisch belehren lässt, sinnieren die versetzten Geburtstagsgäste über die eigenen Verfallserscheinungen. Lena (Teresa Harder) und Valentin (Max Herbrechter) bekommen beim Sex Wadenkrämpfe, Stefan (Stefan Kurt) lästert über die Gewichtsprobleme seines langjährigen Lovers Lorenz (Andre Jung) und der gut durchtrainierte Thomas (Daniel Rohr) muss die ganze Wohnung umkrempeln, weil er vergessen hat, wo er Giulias Geburtstagsgeschenk hingelegt hat. Wenn die Speisekarten gebracht werden - eine der wenigen wirklich komischen Szenen - verschwinden alle unter dem Tisch, um ihre Sehhilfen aus der Tasche zu kramen.

Man beharkt sich so gut es geht und das ist ermüdend, weil alle Charaktere beharrlich um das eigene Ego kreisen und außer sich selbst keine Sorgen zu haben scheinen. Ohnehin nimmt der Film seine Figuren vorwiegend als Kellner in Gebrauch, die die geschliffenen Dialoge und eitlen Bonmots von Bestseller-Autor Martin Suter auf dem Silbertablett hereintragen, aber neben ihrer Lieferantenfunktion kaum persönliche Tiefe entwickeln.

Misslungen ist auch der Versuch, mit zwei Nebengeschichten von einer alten Dame, die an ihrem 80.Geburtstag das Seniorenheim aufmischt, und zwei Teenagern, die ein paar Turnschuhe für den 18.Geburtstag ihres Freundes stehlen, dem Thema "Altern" weitere Facetten abzuringen. Die verschiedenen Erzählebenen wollen einfach nicht zu einem stimmigen Sinngebilde zusammen wachsen.

Martin Schwickert

Schweiz 2009 R: Christoph Schaub B: Martin Suter K: Filip Zumbrunn D: Corinna Harfouch, Bruno Ganz, Sunnyi Melles