GIGANTE

Glück im Winkel

Eine südamerikanische Romanze fast ohne Worte

Jara ist groß, übergewichtig, schweigsam und schüchtern. Und einsam. Im fahlen Licht eines Überwachungsmonitors verdämmert er seine Nächte als Wachmann in einem riesigen Supermarkt in Montevideo. Stumm zappelt die Nachtschicht über seinen Bildschirm, die Putzkolonne marschiert herum, die Lageristen bewerfen sich mit Waren, der Chef streitet mit Angestellten. Unbeteiligt lässt Jara alles geschehen, sieht dem Leben nur zu, wie ein kleiner, allwissender müder Gott. "Monotheismus" notiert er einmal in seinem Kreuzworträtsel, als er beobachtet, wie eine Putzfrau eine Tüte Reis einsteckt. Mehr tut er nicht.

Mehr tut auch Regisseur Adrián Biniez in seinem Spielfilmdebüt nicht. Er sieht nur zu, aber er hat seine Blickwinkel und seine Episoden so sorgfältig ausgewählt, dass sich aus lauter leisen Alltagsschnipseln sehr langsam eine herzallerliebste und überaus komische Komödie ergibt.

Jara verliebt sich nämlich aus der Ferne in Julia, die hinreißend verloren in ihrem rosa Kittel durch das leere Warenparadies bohnert. Jara ist fasziniert, traut sich aber nicht, Julia anzusprechen. Stattdessen überwacht er sie nun auch tagsüber, steht immer wieder am Rande von Julias Leben herum und wagt sich schließlich an Einmischungen, die ihn in anderen Filmen wohl zum Stalker oder aufkeimenden Mörder gemacht hätten.

Aber wieder gelingt es Biniez mit ein paar stummen Episoden, die Peinlichkeit von Jaras tastenden Übergriffen in Komik zu verwandeln. Er verfolgt Julia in ein Kino, sucht sie in einem Liebesfilm und findet sie in einem Monsterschinken, den sie offenbar sehr lustig findet. Er setzt im Supermarkt die Sprinkler in Gang, weil er Techtelmechtelgeräusche hört und Julias vermeintliches Rendezvous stören will. Er stört aber jemand anderen.

Das grenzt stellenweise an Klamauk, aber da ist ja auch noch Horacio Camandulle, der seinen bärenhaft tapsigen Kaufhaus-Cop so zärtlich und zurückhaltend anlegt, dass Julia ihn bestimmt knuddeln würde, könnte sie ihn nur sehen, wie er sie sieht. Leider wird er sie aber wohl nicht mehr wiedersehen, weil der Supermarkt Julia entlässt.

Was in anderen Filmen die Wende zum dritten Akt wäre, passiert hier Minuten vor dem Ende, das dann noch mal wieder ganz anders kommt.

Wing

Uruguay/Argentinien/D/Sp 2009. R + B: Adrián Biniez K: Arauco Hernández Holz D: Horacio Camandulle, Leonor Svarcas