GEH UND LEBE
Selbstfindung Flüchtlinge in Israel - die verwickelte Geschichte eines äthiopischen Jungen
Wenn wir ins Gelobte Land kommen, werden wir dann alle weiß?" fragt ein kleiner Junge im Flugzeug, das die Flüchtlinge vom Sudan nach Israel transportiert. 8.000 äthiopische Juden brachte der israelische Geheimdienst in Zusammenarbeit mit der USA in der sogenannten Operation Moses 1984/85 aus Flüchtlingslagern im Sudan nach Israel. Die sogenannten Falashas sind die einzigen Juden schwarzer Hautfarbe und lebten in den Bergen Äthiopiens, bis Bürgerkrieg und Hungersnöte Anfang der 80er den massenhaften Exodus auslösten.
Der französisch-rumänische Filmemacher Radu Mihaileanu (Zug des Leben) zeigt in Geh und lebe die Schwierigkeiten, mit denen die Emigranten bei ihrer Integration in Israel kämpfen mussten. Der Film begleitet den jungen Schlomo, einen nicht-jüdischen Jungen, der als Neunjähriger von seiner Mutter in einen Transport nach Israel hineingeschmuggelt wird, weil ihm im Sudan der sichere Hungertod droht. Nur langsam öffnet sich der Junge der ihm völlig unbekannten jüdischen Kultur und Religion. Dabei lebt er immer in der Angst, als Nicht-Jude entdeckt und abgeschoben zu werden.
Nach einem Internatsaufenthalt wird er von einer linksliberalen Familie adoptiert. Die neuen Eltern bemühen sich um ihn. Auf dem Kleiderschrank klebt ein Aufkleber "I love Ethiopia", zum Abendessen gibt es afrikanische Speisen, und ihm zuliebe beginnt die nichtgläubige Familie sogar vor dem Essen zu beten. Aber auch wenn die Adoptiveltern sich langsam das Vertrauen des Jungen erarbeiten, sein Geheimnis verrät Schlomo nicht. In der Schule schlägt ihm der offene Rassismus von Eltern und Mitschülern entgegen. In den Medien werden die Falashas immer wieder beschuldigt, keine "richtigen" Juden zu sein.
Der äthiopische Rabbi Le Qès Amhra wird zum wichtigsten Vertrauten für den Jungen. Als Jugendlicher argumentiert Schlomo im Debattierclub der Gemeinde mit fundierten Thora-Kenntnissen für seine Anerkennung. Als er sich schließlich in Sarah verliebt, droht die erste Liebe an dem sorgfältig gehüteten Geheimnis zu scheitern.
Geh und lebe erzählt über fünfzehn Lebensjahre hinweg von dem schwierigen Prozess der Identitätsfindung in einer vollkommen fremden Kultur. Dabei zeichnet Mihaileanu ein äußerst differenziertes Bild der israelischen Gesellschaft, die selbst mit der eigenen Identität und ihren multikulturellen Ansprüchen hadert. Mihaileanu füttert die Odyssee seines jungen Helden gelegentlich mit etwas zu viel Pathos und Orchestergraben-Gegrummel, zeichnet jedoch aus der Perspektive eines Kindes ein plastisches Bild der Entwurzelung und damit verbundenen Schwierigkeiten der Selbstfindung
Martin Schwickert
Va, vis et deviens F 2004 R&B: Radu Mihaileanu K: Rémy Chevrin D: Yaël Abecassis, Roschdy Zem, Roni Hadar
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