GEHEIME STAATSAFFÄREN

Das Blut der Patriarchen

Isabelle Huppert demütigt die Manager der Macht

In seinem 60.Film klettert Regieveteran Claude Chabrol nach oben in die Chefetagen. Der Korruptionsskandal um den französischen Mineralölkonzern Elf, der mit der Übernahme der Autobahntankstellen in Ostdeutschland nach der Wende Schlagzeilen machte, dient als zeitgeschichtliche Vorlage. Ähnlichkeiten, so ist im Vorspann zu lesen, mit lebenden oder toten Personen seien zufällig.
Chabrol geht es nicht um ein sorgfältig recherchiertes Politdrama, sondern um die Verführungskräfte der Macht. Isabelle Huppert spielt die Untersuchungsrichterin Jeanne Charmant-Killman, deren drei Namensteile ihr tatsächliche Unerbittlichkeit nur erahnen lassen. Die Kollegen nennen sie einfach nur Piranha. Die roten Handschuhe und die rote Ledertasche werden immer wieder als Insignien der Macht der angriffslustigen Ermittlerin ins Bild gerückt.
Zum siebten Mal arbeiten Chabrol und Huppert zusammen, unübersehbar ist die Rolle als ein Geschenk an eine Schauspielerin gedacht, die wie keine andere Fragilität und Stärke zu verbinden weiß. Reihenweise lässt die Richterin die selbstgefälligen Manager aus den Konzernzentralen in Handschellen vorführen und versteht sich darauf, die Arroganz der Macht mit einem breiten Arsenal an subtilen Erniedrigungen zu brechen.
Der eine muss ohne Hosen in der Zelle übernachten, dem anderen wird während des Verhörs das Rauchen untersagt; wenig später bläst die Ermittlerin dem Verdächtigen selbst den Rauch ins Gesicht. Isabelle Huppert spielt den Gerechtigkeitsengel mit sichtbarem Genuss am Minimalismus und einer eiskalten Aura. Schließlich berauscht sich der Piranha an der eigenen Macht und wird vom dem langen Arm der Korruption einfach nach oben wegbefördert.
Ein Film von Claude Chabrol ist selten ein vertaner Abend, und Isabelle Huppert auf der großformatigen Leinwand ist immer eine Reise ins Kino wert. Trotzdem hängt diesem Jubiläumsfilm der Schmauch der Selbstzufriedenheit an. Die filmischen Zeichen werden auf dem Silbertablett serviert, die Verwicklungen entfalten sich mit einer gewissen Behäbigkeit, und Chabrols Reflektion über den diskreten Charme der Bourgeoisie ist wieder einmal eher boshaft als erhellend.

Martin Schwickert

R: Claude Chabrol B: Claude Chabrol, Odile Barski K: Eduardo Serra D: Isabelle Huppert, François Berleand, Patrick Bruel