FOOTBALL UNDER COVER Spaß am Sport Wie die iranische Frauennationalmannschaft einmal Fußball unter freiem Himmel spielen durfte Die Stimmung im Stadion ist gut. Über tausend Fußballfans jubeln den beiden Teams zu. Sprechchöre ertönen: "Wir kicken sie in die Tonne". In der Halbzeit steht es 2:0 für die Gastmannschaft. Trotzdem wird in der Pause gesungen und getanzt. Oben auf den Rängen laufen die Sittenwächterinnen in ihrer schwarzen Tracht nervös auf und ab. Was sie da unten sehen, gefällt ihnen gar nicht. Und dann wird die Musik unterbrochen. Eine Durchsage ermahnt das Publikum, das unwürdige Verhalten einzustellen. "Männer können im Stadion tun und lassen, was sie wollen. Sie fluchen und benehmen sich daneben und keinen kümmert es. Nur die Frauen bekommen eins drauf", schimpft eine Zuschauerin in die Kamera hinein. Seit der islamischen Revolution 1979 ist dies das erste Spiel der iranischen Frauenfußball-Nationalmannschaft, das in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel ausgetragen wird. Nur Frauen durften ins Stadion, und sie lassen sich den Spaß an diesem historischen Ereignis auch von den Sittenwächterinnen nicht nehmen. Die Fußballerinnen spielen sonst ausschließlich in der Halle und durften noch nie gegen ein anderes Team antreten. Aber irgendwie haben es die Frauen vom Kreuzberger Fußballverein Al-Dersimspor geschafft, gemeinsam mit den iranischen Sportsfreundinnen das Spiel in Teheran zu organisieren. Über ein Jahr dauerte dieser Hürdenlauf, von dem Ayat Najafis und David Assmanns Dokumentation Football Under Cover erzählt. Dabei war die Kamera nicht nur Begleiter, sondern auch ein Druckmittel, um zu verhindern, dass die iranischen Behörden von gemachten Versprechungen wieder zurücktreten. Immer wieder wurde der Termin verschoben, wurden Visa verweigert und dann doch noch in letzter Minute am Flughafen ausgestellt. Football Under Cover zeigt nicht nur den langen Marsch durch die iranischen Institutionen, sondern stellt vor allem die unterschiedlichen Lebenswelten der Spielerinnen aus Teheran und Kreuzberg nebeneinander. Dabei fällt auf beiden Seiten das gesunde Selbstbewusstsein der Sportlerinnen auf und die Gewissheit, dass Fußball das Wichtigste in ihrem Leben ist. Für Narmila ist Kicken eine Familienangelegenheit. Die Mutter hat schon vor der Revolution in der iranischen Frauennationalmannschaft gespielt. Auf einer staubigen Straße und im wehenden schwarzen Gewand übt die Mutter mit der Tochter Pässe. Narmilas Freundin Niloofar zieht das Basecap tief ins Gesicht und verkleidet sich als Mann, wenn sie einmal ohne Kopftuch im Park trainieren will. "Ich tue, was mir gefällt" sagt sie. Wenn Niloofar in Berlin aufgewachsen wäre, dann wäre sie vielleicht so wie Susu, die Kreuzberger Stürmerin, die die ganze Verteidigung allein ausdribbelt und den Ball souverän in den Kasten einloggt. Susu ist eine, die über den Zaun klettert, auch wenn unten das Tor offen ist, die über ihren Bruder zum Fußball gekommen ist und heute sagt: "Jungs auf dem Spielfeld zu demütigen ist einfach schön. Ich spiele total gern gegen Jungs". In solchen Momenten bringt der Film seine Protagonistinnen zum Leuchten und die Nähe, die Football Under Cover zu den Spielerinnen herstellt, entschädigt auch für die Und-Dann-Dramaturgie, die etwas langatmig von der hindernisreichen Organisierung des Sportevents berichtet. Auf deutschem Boden ließ sich das "Wunder von Teheran" allerdings nicht wiederholen. Das Rückspiel in Berlin wurde von den iranischen Behörden kurzfristig und ohne Angabe von Gründen abgesagt. Martin Schwickert D 2007 R&Idee: Ayat Najafi, Marlene & David Assmann K: Anne Misselwitz, Niclas Reed Middleton
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