FISH & CHIPS
MÄNNER
Das Glück beim Frittieren: Stephen Frears Working Class-Comedy Fisch & ChipsIrland ist ein kleines Land und stand eigentlich immer schon auf der Verliererseite der Geschichte. Wenige Wochen lang im Sommer des Jahres 1990 schien sich das Blatt zu wenden. Die irische Nationalmannschaft hatte sich für die Fußballweltmeisterschaft qualifiziert und wäre fast gar ins Finale eingezogen. Die Nation bangte hoffnungsvoll euphorisiert vor dem Fernseher. Das ganze Land befand sich im mentalen Ausnahmezustand, und um diese sympathische Art besinnungsloser Begeisterungsfähigkeit geht es auch in Stephen Frears neuestem Irland-Ausflug Fisch & Chips.
Im Dezember 1989 sieht es gar nicht gut aus für Bimbo Reeves. Er hat seinen Job in der Bäckerei verloren, sitzt mit verheulten Augen im Pub und findet Trost allein im kollektiven Guinness-Rausch. Sein Busenkumpel Larry, schon länger auf der Gehaltsliste des Sozialamtes, versucht ihn in das bescheiden-beschauliche Leben eines Dubliner Arbeitslosen einzuführen. Minigolf, Kinderwagenschieben und nachmittägliche Game-Shows im Fernsehen können den ruhelosen Bimbo jedoch nicht begeistern. Und wenn die beiden vor dem Haus auf der Treppe sitzen und das Treiben auf der Straße beobachten, unterscheiden sie sich nur noch durch ihr Alter von den gelangweilten Vorstadtjugendlichen um sie herum. Dann naht auch noch Weihnachten, und das Geld für den Truthahn muß bei den Geschenken eingespart werden.
Das ist die Situation, in der in amerikanischen Filmen ein Überfall geplant wird. Aber wir sind in Irland, und die beiden Filmhelden suchen einen Ausweg in den bescheidenen Möglichkeiten, die die freie Marktwirtschaft für sie übriggelassen hat.
"Chip-O-Van" mit diesem schönen Ausdruck wird in Dublin eine fahrende Pommesbude bezeichnet, und Bimbo investiert seine Abfindung in ein restlos verdrecktes motorloses Exemplar dieses Fahrzeugtyps. Im familiären Großeinsatz wird der Imbißwagen wieder hergerichtet. Die Pommes werden in mühevoller Handarbeit geschnitzt und das Blut wieder herausgewaschen. Verschiedene Burger-Prototypen werden in nächtelangen Testorgien geprüft. Mit Beginn der Fußballweltmeisterschaft eröffnen die Jungunternehmer ihr Geschäft, und während das irische Nationalteam sich von Runde zu Runde kickt, beginnt auch der ökonomische Siegeszug von "Bimbos Burgers". Nach einer langen Phase euphorischer Fettspritzerei wird es dann doch irgendwann eng in der Brutzelbude. Bimbo läßt den Chef raushängen, Larry kontert mit dem genauen Einhalten gewerkschaftlich verbriefter Pausenregelungen. Mit dem geschäftlichen Erfolg droht auch die eingefleischte Männerfreundschaft zu zerbrechen.
Nach Stephen Frears hochbudgetiertem und kläglichem Ausflug ins Gruselfach (Mary Reilly) hat sich der britische Regisseur wieder auf bewährte Rezepte verlassen. Mit Fisch & Chips wurde nach The Snapper (Regie: Frears) und Commitments (Regie: Alan Parker) der dritte und letzte Teil von Roddy Doyles Barrytown-Trilogie verfilmt. Doyles Working Class-Comedies haben genau die richtige Balance gefunden zwischen treffsicherem Humor, sozialem Realismus und einer guten Portion Guinness-durchtränkter Irland-Romantik. Und so ähneln sich die Bilder von The Snapper und Fisch & Chips auffällig: Heerscharen rothaariger, sommerbesproßter Kinder, Reihenhäuser mit Miniaturvorgärten und enge, recht eigensinnig eingerichtete Wohnzimmer.
Colm Meany, der engagierte Familienvater aus The Snapper, ist glücklicherweise auch wieder mit von der Partie, und dieser Mann mit seinem unschlagbaren fettgepolsterten Charme ist einfach eine Perle, überhaupt lebt Fisch & Chips vor allem von der Präsenz der beiden Hauptdarsteller. Wenn Larry (Colm Meaney) und Bimbo (Danal O'Kelly) die Höhen und Tiefen einer Männerfreundschaft erkunden, um dabei meistens doch nur auf das "Kind im Manne" zu stoßen, dann ist das hochamüsant und herzallerliebst zugleich.
Und mehr will Fisch & Chips eben auch nicht sein: eine nette Komödie, garantiert ohne überflüssigen Tiefgang. Dieses Ziel hat Frears mühelos und ohne schenkelklopfendes Beiwerk erreicht.
Martin Schwickert
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