FINAL FANTASY Pixels Corner Digitale Darsteller retten die Welt Niemand hat sich bisher die Mühe gemacht, die Anzahl der Kopfhaare von Julia Roberts oder wenigstens von Danny DeVito festzuhalten. Genau 60.000 sind es bei Aki Ross. Keine Frisur hat bisher so viele Arbeitsstunden verzehrt wie dieser schlicht seitlich gescheitelte, brünette Haarschopf. Aki Ross ist die erste fotorealistische Filmheldin, die komplett am Computer entstanden ist. Wie Angelina Jolies Lara Croft ist auch die Pixel-Kollegin in Final Fantasy einem millionenfach verkauften Videospiel entsprungen. Im Großen und Ganzen sieht Dr. Aki Ross aus wie ein echter Mensch. Sommersprossen zerstreuen die digitale Perfektion des Gesichts. Nur die Bewegungen wirken noch ein wenig ferngesteuert, und kein Haarfestiger dieser Welt könnte Akis Frisur nach intergalaktischen Stürmen wieder derart mühelos in Positur bringen. Aber schließlich befinden wir uns im Science Fiction-Genre und die Frage nach menschlicher Authentizität im Kino ist nicht erst seit Final Fantasy schwer zu beantworten. Denn welcher Hollywood-Schauspieler sieht heute überhaupt noch aus wie ein echter Mensch? Oder andersherum: Wäre es jemanden aufgefallen, wenn man nicht nur Flugzeuge und Komparsen, sondern auch die Hauptdarsteller von Pearl Harbor durch digitale Animationen ersetzt hätte? Einen Mann wie Ben Affleck kann man sich als Download-Datei eigentlich ganz gut vorstellen. Von seinen Machern wird Final Fantasy als Meilenstein der Filmgeschichte gefeiert und transportiert - wie so viele Meilensteine der letzten Jahre - mit innovativer Technik eine konventionelle Dünnbrettbohrergeschichte. Wieder einmal steht die Rettung der Welt auf dem Programm. Die Erde im Jahr 2065 ist von außerirdischen Phantomen befallen, die die Lebensenergie aus Pflanzen, Tieren und Menschen heraussaugen. Nur wenige haben in einer treibhausähnlichen Retortenstadt überlebt. Während starrköpfige Militärs zur alleszerstörenden Zeus-Kanone greifen wollen, glaubt Aki Ross an eine organische Lösung des Problems und an eine Wellentheorie, deren nähere Erörterung den Rahmen dieses Textes sprengen würde. Die krude Ansammlung von Genreversatzstücken und Videospielsimulationen wird durch ein wenig fernöstliche Philosophie und ein paar Öko-Updates spirituell aufgeladen. Von der Seele der Erde ist die Rede und die Energien des Gegners sollen irgendwie Aikido-mäßig umgeleitet und neutralisiert werden. Im Nebenfigurenensemble trifft man auf altersschlaue Wissenschaftler und hartgesottene Weltraumsoldaten, wie sie uns aus Star Trek und Alien seit Jahrzehnten vertraut sind. Der Sommerstart von Final Fantasy war in den US-Medien von hitzigen Debatten über die Ersetzbarkeit von humanem Schauspielermaterial begleitet. Dabei sollte das Ergebnis dieser gigantischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für 150 Digitalgrafiker und 20 Computeranimateure mit Firmensitz in Honolulu alle Zweifel zerstreuen. Denn wenn sich das Staunen über die technische Machbarkeit gelegt hat, merkt man schnell, dass es Regisseur Hironobu Sakaguchi trotz des fotorealistischen Anspruches nicht gelungen ist, seinen Figuren genügend Seele einzuhauchen. Selbst Ben Affleck könnte es mit Aki und ihren stocksteifen Pixelfreunden mühelos aufnehmen. Dennoch wird sich in Zukunft zwischen Real- und Animationsfilm ein neues Genre etablieren, das den kreativen Umgang mit seinen künstlichen Körpern jedoch noch lernen muss. Denn Final Fantasy scheitert nicht an unzulänglichen Kopiertechniken, sondern daran, dass aus der Faszination an der perfekten Imitation kein ästhetisches Eigenleben entwickelt wird. Martin Schwickert USA/Japan 2001 R: Hironobu Sakaguchi B: Al Reinert, Jeff Vintar
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