FIGHT CLUB


Spaß-Guerilla

Prügeln zur Selbsthilfe

Die erste Regel des Fight Clubs lautet: "You do not talk about Fight Club". Und so sollte man es auch mit der Geschichte halten. Eigentlich. Weil Fight Club von einem Typen handelt, der sich schlägt, weil es ihm Spaß macht, mit anderen Typen, denen es auch Spaß macht. Es geht nicht darum zu gewinnen oder stärker zu sein. Es geht darum, eins in die Fresse zu kriegen, und noch eins, bis man Backenzähne spuckt und ein Blick in den Spiegel an Omas leckere Johannisbeermarmelade denken läßt. Falls man die Augen noch aufkriegt und noch denken kann. Und das ist erst der Anfang. In so eine Geschichte musst du mit deinen Kumpels gehen, deine Freundin kommt mit Sicherheit nicht mit.
Aber Fight Club ist mehr, und Fight Club hat ein Geheimnis, und deshalb müssen wir doch ein bisschen über den Film reden, ohne allerdings das Geheimnis zu verraten, Ehrensache, denn danach sieht man den Film mit anderen Augen und möchte das auch sofort nochmal tun.
Am Anfang hat Jack (Edward Norton: "Dabei bin ich mal so ein netter Kerl gewesen") einen Pistolenlauf im Mund, und der Kerl, der die Knarre hält, sieht so aus, als meine er es ernst: Tyler Durdon (Brad Pitt, dem es hier gelingt, ein bisschen wie Tom Waits auszusehen). In reizvollem Kontrast dazu steht Jacks Erzählung aus dem Off. Er refektiert seine Lage und erzählt uns, wie es dahin gekommen ist: "Ich will euch von Tyler erzählen", was er tut, in einem ungebrochenen, sarkastischen Plauderton, und natürlich beginnt er bei sich selbst. Jack ist Rückruf-Koordinator bei einem großen Autohersteller. Sein Job ist, zu entscheiden, ob es billiger ist, Schadenersatzforderungen verkohlter, zermalmter oder sonstwie verstümmelter Konstruktionsfehler-Opfer zu erfüllen (und dabei auch die zu erwartenden kommenden Kosten - und Opfer - einzukalkulieren) oder die betreffenden fehlkonstruierten Automobile in die Fabriken zurückzurufen, um die Fehler zu beheben. Eine Rechenaufgabe. Jack ist unterfordert, er leidet weniger am Zynismius seines Jobs als unter der Leere seiner Welt, unter der Ereignislosigkeit, unter der Perfektion seines mit europäischen Möbeln (Ikea, in den USA offenbar sehr schick) eingerichteten Appartments und dem seine Persönlichkeit abrundenden Geschirr. Er kann nicht schlafen.
Auf der Suche nach echten Gefühlen beginnt er Selbsthilfegruppen zu besuchen. Degenerative Knochenerkrankungen, Organische Gehirnstörungen, Krebs. Bei den Hodenamputierten lernt er Marla (Helena Bonham Carter) kennen, Selbsthilfegruppenjunkie wie er. Es ist Feindschaft auf den ersten Blick, in ihr sieht er sein Spiegelbild, in ihrer Gegenwart kann er nicht weinen. Und wenn er er nicht weint, kann er nicht schlafen. Sie teilen sich die Gruppen auf. Dann kommt Tyler, Handlungsreisender in selbstfabrizierter Seife, smart, schön, hemmungslos. Alles, was sich Jack zu sein wünscht. Als sein Appartment in die Luft fliegt ("Deprimierend: in der Küche alles voller Gewürze, aber nichts zu essen"), zieht er bei Tyler ein, lernt das Geheimnis besonders guter Seife und deren Verwendungsmöglichkeiten kennen, gründet den ersten Fight Club als Weiterentwicklung der Selbsthilfegruppen-Idee und saugt Tylers Philosophie in sich ein, die ziemlich eindrucksvoll klingt im Film: "Du bist nicht dein Job, bist nicht der Inhalt deiner Brieftasche, bist nicht deine Statussymbole. Die Dinge, die du besitzt, besitzen am Ende dich. Erst wenn du alles verloren hast, hast du die Freiheit, alles zu tun." Und weil Tyler ein großes Sendungsbewußtsein besitzt, beginnt er mit Fight-Club-Mitgliedern eine sehr effektive Spaßguerilla aufzubauen, die seine Erkenntnisse im größeren Maßstab realisiert.
Zugegeben, Tylers Botschaft reißt einen nicht vom Hocker, aber Film ist nur zweitrangig eine philosophische Veranstaltung, und dafür reichts. Auch, wenn Regisseur David Fincher offenbar ein bisschen zu sehr auf Tylers Sprüche steht, was für die wenigen Durchhänger verantwortlich ist. Allerdings: Fight Club beginnt so stark, dass eine Steigerung ist nicht mehr möglich scheint und - wie man sehen kann - auch nicht stattfindet. Die Akzente verschieben sich: weg vom coolen Monolog und der Weltsicht Jacks, hin zur Gewalttätigkeit von Tyler. Leider, aber da kann man als kritisierender Kinosesselfurzer klug reden, leider fehlt so etwas wie eine Synthese am Schluss, irgendwas, was man mit nach Hause nehmen kann außer einem Bild hoffnungsvoller Zerstörung.
Fight Club ist über diese kleinliche Kritik erhaben. 141 Minuten allerbeste Anarcho-Ware, funkelnd, geistreich und gleichzeitig physisch wie eine schlimme Hautabschürfung. Dabei ein 70-Millionen-Dollar-Projekt, Hollywood-Standard im besten Sinn. Daher natürlich auch grundsätzlich konsensfähig. Nimm deine Freundin mit, du kannst ihr an den Stellen ja die Augen zuhalten. Wenn sie das dann noch zulässt.

Jens Steinbrenner