FARGO
Yah? - Yah.
In ihrem neuen Film huldigen die Coen-Brüdern ihrer Heimat MinnesotaJerry Lundegaard ist ein wirklich bedauernswerter Mann: Er ist zwar Ober-Autoverkäufer, aber der Laden gehört Wade Gustafson, und Wade Gustavson ist nicht nur der Vater von Lundegaards Ehefrau Jean, er ist seinem Schwiegersohn auch in inniger Verachtung zugetan.
Um sich von seinem Schwiegervater unabhängig zu machen, wäre Jerry gerne erfolgreich und reich. Aber um reich zu werden, beispielsweise mit Immobiliengeschäften, braucht man Geld. Und der alte Wade hat Geld. Also plant Jerry eine kleine Umverteilungsmaßnahme: Er heuert zwei zwielichtige Gestalten an, die Jean zum Schein entführen sollen. Das Lösegeld soll dann - abzüglich der Spesen - das Grundkapital für Lundegaards kleine Firma werden.
Aber leider sind die zwielichtigen Gestalten nicht nur zwielichtig, sondern auch ziemlich blöd und schießfreudig. Mit dem Resultat, daß die Entführung zwar klappt, aber im Umfeld drei unschuldige Bewohner Minnesotas ihr Leben lassen müssen. Was die Provinz-Polizeichefin Marge Gunderson auf den Plan ruft, die nicht nur sehr bald ein Kind erwartet, sondern auch mit unerschütterlicher Ruhe und einem klaren Verstand ausgestattet ist. Womit Lundegaards Schicksal eigentlich besiegelt ist.
Die Geschichte von Fargo ist also - wie fast alle guten Geschichten - vergleichsweise einfach. Was dem Film Fleisch gibt und Substanz, sind die unglaublich schön konstruierten Charaktere: Der geizige Schwiegervater (Harve Presnell), der zwar alles tun würde, um seine geliebte Tochter zu retten, aber eine Million Doller, andererseits, sind auch eine Menge Geld. Die beiden Gangster, wortkarg und von einer stoischen Brutalität der eine (Peter Stormare), aufgedreht und zu allem fähig der andere (Steve Buscemi). Der wunderbare William H. Macy als Jammerlappen Lundegaard, der von Anfang an die Kontrolle über die Geister, die er rief, verloren hat. Und schließlich die schwangere Chef-Ermittlerin (Frances McDormand), die dickbäuchig und hohlkreuzig in der Geschichte umherstapft, die richtigen Fragen stellt, die richtigen Schlüsse zieht und ganz unaufgeregt den Fall löst, ohne dabei ihre Ernährungsgewohnheiten und zwischenmenschlichen Kontakte zu vernachlässigen.
Aber das allertollste ist die Schilderung der Menschen aus Minnesota, ihrer Umgangsformen und sprachlichen Eigenheiten - kaum vorstellbar, wie sich das synchronisiert anhört. Mit Dialogen, die vor allem aus "Yah" in allen Betonungen und Bedeutungen bestehen.
Joel und Ethan Coen haben bisher vor allem Genre-Variationen wie Blood Simple, Barton Fink oder Miller's Crossing gemacht, sehr erfolgreich übrigens. Fargo ist ihr Heimatfilm. Er spielt in Minnesota, er handelt von Minnesota, und er ist genauso gemacht, wie man sich Minnesota vorstellt (nachdem man Fargo gesehen hat).
Jens Steinbrenner
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