FANDANGO

Tanz die Leere

Matthias Glasners Koks- & Rave-Drama

Wenn Lupo (Richy Müller) nicht mehr weiter weiß, brüllt er gerne so etwas wie: Das wird hier das totale Fandango! Er weiß selbst nicht so recht, was Fandango eigentlich bedeutet. Nach eineinhalb bunten Kinostunden weiß auch das Publikum nicht so recht, was Fandango denn nun eigentlich sein sollte.

Glasner stürzt sich mit Getöse in die großstädtische Clublandschaft. Ebenda peitscht der ewige Rave, und auf den Toiletten wird heftig gekokst und kopuliert. Shirley Maus (Nicolette Krebitz) ist ganz und gar Kind ihrer Zeit. Weite Teile ihres Verstandes sind durch übermäßigen Drogengenuss für immer außer Kraft gesetzt. Wie eine Trash-Version von "Alice im Wunderland" treibt sie ziellos durch das wilde Szeneleben. Shirley träumt davon, Model zu werden, ist für den Job aber viel zu klein und biedert sich willenlos jedem an, der sie ihrem Ziel näher bringen könnte. Irgendwie ist Shirley mit Lupo zusammen. Der hat sich vom Türsteher zum kleinkriminellen Clubbesitzer hochgearbeitet, Richy Müller könnte hier fast als deutsche Ausgabe von Harvey Keithel durchgehen. Dann ist da noch der ehemalige Kult-DJ Sunny Sunshine (Moritz Bleibtreu), der sich in der Techno-Szene als Blinder zu tarnen versucht. Sunny und Shirley verlieben sich ganz cool ineinander und landen auf einem dekorativen Futon-Bett.

Weil Liebe allein eine Filmhandlung selten trägt, greift der Regisseur zum derzeitigen Lieblingsrequisit des neudeutschen Films: Ein Koffer voller Koks, der für blutige Auseinandersetzung mit der lesbischen Unterweltdomina Duke (Corinna Harfouch) sorgt. Es wird ein wenig geliebt und viel geschossen, im Regen getanzt und sinnlos gestorben. Alles ist sehr bunt und hübsch anzuschauen. Kamerafrau Sonja Rom zeigt Stilwillen, belichtet vorzugsweise grobkörniges Material, experimentiert gekonnt mit unterschiedlichen Bildgeschwindigkeiten und taucht die Szenerie in immer neue Farbspektren. Der Schnitt ist so dynamisch, wie man es sonst eher aus Hongkong-Filmen kennt. Fandango ist seit langem der bildgewaltigste deutsche Film. Schade nur, dass soviel Energie für eine hochgradig belanglose Story vergeudet wird. Szeneklischees werden mit Buntlack übersprüht. Das Problem ist nicht die Form, sondern die Inhaltslosigkeit. Um die Sinnleere der Millenniumsjugend zu zeigen, muss man nicht zwangsläufig einen sinnentleerten Film machen.

Martin Schwickert

D 2000 R & B: Matthias Glasner K: Sonja Rom D: Moritz Bleibtreu, Nicolette Krebnitz, Richy Müller