Extrem laut und unglaublich nah Der Tod und das Märchen Stephen Daldry verfilmt die Wiederbelebung eines begabten Kindes Es fängt schon falsch an, oder jedenfalls strittig. Ein Mann fällt kopfüber durch den blauen Himmel. Darunter redet sich der 11-jährige Oskar ein: "Heute leben mehr Menschen auf der Erde, als je gestorben sind". Der Mann stürzt weiter, und Oskar denkt darüber nach, ob man Hochhäuser für die Toten bauen sollte. Bloß nach unten. Etwas später erkennen wir, dass der Mann vom Anfang wohl aus dem World Trade Center sprang. Und vielleicht Oskars Vater ist. Damals wurden die Bilder der Menschen, die sich ausweglos verzweifelt aus den brennenden Türmen in die Tiefe stürzten, meist aus Pietät bei der Berichterstattung weggelassen. Heute erhebt Stephen Daldry den langen Fall per Zeitlupe zum schwebenden Sinnbild des schlimmsten Tages. Und des Versuchs, seine Folgen zu überwinden. Oskar versucht es auf seine Weise. Er versteckt den Anrufbeantworter mit den letzten Nachrichten seines Vaters aus dem World Trade Center. Er nimmt ein fantastisches Rätselspiel wieder auf, das sein Vater ihm beibrachte. Als er noch lebte, suchten sie nach dem mythischen verschollenen 6. Bezirk der Stadt. Nach seinem Tod findet er einen Schlüssel und ist überzeugt davon, er müsse nur das dazu passende Schloss entdecken, um nicht mehr traurig zu sein. Clever, fanatisch und geradezu altklug geschwätzig über seine ans autistische grenzende Genialität, geht er auf eine abenteuerliche Reise durch New York, trifft herzallerliebste Menschen in ihren eigenen Schmerzen und insgesamt wohl auch den Sinn des Lebens. Hauptsächlich aber begegnet er Max von Sydow als altem Mann, der kein Wort spricht und als eine Art mythischer Führer Oskar auf dem Weg von ein paar Ängsten befreit. Der hochbegabte aber schwer verstörte Junge traut sich bald wieder in U-Bahnen und Fahrstühle, ja sogar über Brücken. Und am Ende gar an ein langes Gespräch mit seiner Mutter. Das wird zwar ein wenig kitschig, aber glücklicherweise verpasst der Regisseur dem Roman von Jonathan Safran Foers gleich mehrere Enden hintereinander, die Märchen und Traumaabfuhr, Jugendbuch und Familiendrama bedienen. Und ein bisschen was offen lassen. So haben alle was davon. Neben Thomas Horn als Oskar haben es alle Darsteller schwer. Tom Hanks tritt als Vater eh nur in Rückblenden wunderbar verspielt auf, Sandra Bullock muss als Mutter lange die traumatisiert Sprachlose geben, und Max von Sydow ist mit seiner eigenen, sprachlosen Geschichte ein dringend nötiger Ruhepol zu Oskars fanatischer Selbstheilungsfantasie. Wing Extremely Loud and Incredibly Close. USA 2010. R: Stephen Daldry B: Eric Roth K: Chris Menges D: Tom Hanks, Sandra Bullock, Thomas Horn, Max von Sydow
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