DER EXORZISMUS VON EMILY ROSE

Irrsinn vor Gericht

Drama um einen Kunstfehler

Bei Gerichtsdramen und Horrorfilmen handelt es sich um zwei komplett unterschiedliche Genres: das eine basiert auf einer cleveren und glaubwürdigen Präsentation von Fakten, während das andere versucht, uns etwas vollkommen Irrationales emotional so darzubieten, dass wir unser Gehirn ausschalten und den eigenen Urängsten den Vortritt lassen.
Der Exorzismus von Emily Rose verbindet beide Genres anhand einer angeblich wahren Begebenheit, in der ein Priester vor Gericht beschuldigt wurde, durch die Durchführung eines Exorzismus (und Behinderung der medizinischen Versorgung), den Tod eines jungen Mädchens herbeigeführt zu haben.
Laura Linney spielt die junge Anwältin, die mit der Verteidigung des Priesters (Tom Wilkinson) beauftragt wird und eigentlich vorhat, einen Schuldspruch einzureichen. Als ihr Klient jedoch darauf besteht, nicht nur vor Gericht zu gehen, sondern auch auszusagen, wird aus dem leicht auszuhandelnden milden Strafmaß eine Reise in eine Welt, in der nicht alles nach einem Schema abläuft, dass man einer Jury begreiflich machen kann.
Regisseur Scott Derrickson gelingt der schwierige Spagat zwischen rechter und linker Gehirnhälfte durch eine fast schon schizophren anmutende Inszenierung: während die Gerichtsszenen nach bewährtem Muster so inszeniert sind, dass man vom Kinosessel aus nachdenkt, was denn das nächste rationale und wirkungsvolle Argument der Anwälte sein könnte, schafft er in Szenen außerhalb der hehren Hallen der Justiz eine bedrückende, durchgängig dichte Stimmung, die es uns erlaubt, an Geister und das Böse zu glauben und die minimal eingesetzten Spezialeffekte mit ganzer Wucht auf uns einwirken zu lassen.
Diese perfekte Mischung von Der Exorzist und Zeugin der Anklage funktioniert nicht zuletzt aufgrund von Laura Linney und Tom Wilkinson, zwei der glaubhaftesten Schauspieler des englischsprachigen Kinos. Es entsteht ein verstörendes Gefühl, genau zwischen zwei Polen, zwischen Irrationalismus und Aktenordnern zu sitzen - eine unterhaltsame Desorientierung.

Karsten Kastelan

The Exorcism of Emily Rose USA 2005 R: Scott Derrickson. B: Paul Harris Boardman, Scott Derrickson. K: Tom Stern. D: Laura Linney, Tom Wilkinson, Campbell Scott, Jennifer Carpenter, Colm Feore, Mary Beth Hurt, Shohreh Aghdashloo