EVENT HORIZON


Böse Falle

Im Weltraum steckt der Teufel im Detail

Es fängt damit an, daß Deutsche dümmer als Angelsachsen sind. Warum sonst wurde das schwere aber schöne Titel-Sinnbild aus der Grenzphysik nicht übersetzt? Wo doch der "Ereignishorizont" einfach die Linie ist, hinter der die Welt verschwindet, wie wir sie kannten. Und möglicherweise alles anfängt gleichzeitig und überall zu passieren.
Der Effekt hängt natürlich vom Standpunkt des Betrachters ab - und vom Aufenthaltsort des Schwarzen Loches, um das herum von Einstein bis Hawking die erstaunlichsten Mythen kreisen. In Event Horizon steckt das kosmische Phänomen mitten im Antrieb des Raumschiffs "Event Horizon", das sieben Jahre vor Filmbeginn aufgebrochen ist, um irgendwie durch das Loch im eigenen Bauch im Jenseits zu verschwinden. Unter einem lateinisch sprechenden Käptn, der seiner Crew im Angesicht der Grenzüberschreitung die Augen ausreißt. Das sehen wir aber erst gegen Ende. Während sich der Magen schon in der ersten Minute mehrmals umdreht, so virtuos achterbahnt die Kamera (von Adrian "Aliens" Biddle) durch eine verwirrend filigrane Raumstation im Erd-Orbit. Oben und unten werden bedeutungslos, Sam Neill hat als ersten Auftritt einen Alptraum ... und nur auf eines ist noch Verlaß: Regisseur Paul Anderson (mit Mortal Combat zu Geld gekommen) zitiert Genre-Vorbilder bis zum Erbrechen.
Die militärische Besatzung eines Notarzt-Wagens macht sich auf den Weg, die wiederaufgetauchte "Event Horizon" in der Neptun-Gegend zu bergen. Unter Käptn Laurence Fishburne, der kein Latein kann und gerne das Rauhbein raushängen läßt. Die Crew gibt das Katastrophenfilm-Ensemble (Clown, Pfaffe, Mutter, Toughe, Schmiermaxe ...). Und die "Event Horizon" das Haunted House der englischen Psycho-Horror-Tradition.
Auf dem blutverschmierten Wrack werden die Ereignisse sehr schnell dämmrig. Irgendetwas sehr Böses ist aus dem Schwarzen Loch mit zurückgekommen und poltergeistert. Die Besucher werden mit Szenen aus ihren privaten Schreckenskammern gequält, das Publikum in Dekor, Dialog und Dramaturgie mit Zitat-Operationen aus den Alien-Filmen, 2001, Dementia, Abyss, Dark Side of the Moon, Galaxy of Terror, Stargate, Shining, Forbidden Planet, Hellraiser, Dark Star, Contact, Star Trek 6, Krombacher TV-Werbung ...
Das einzig halbwegs Überraschende ist: nur die Nebenfiguren überleben. Vielleicht. Und die "Event Horizon" verschwindet wieder in der Hölle. Mit einem optischen Abtritt, den man so ähnlich aus der heimischen Naßzelle kennt.
50 Millionen Dollar hat der Produzent von Waterworld dafür im britischen James Bond-Studio versenkt. Roger Corman hätte es für ein Zehntel genialer gemacht. Aber wer nur ein Zehntel der hier genannten Titel kennt, kann sich durchaus etwas altmodisches Erschrecken abholen. Wer aber nicht, kann sich immerhin stundenlang mit Fehler-Zählen vergnügen. Passen künstliche Schwerkraft und verstopfte Luftfilter zusammen? Tibetanische Gebetsmühlen und Bio-Scanner? Gothische Ehrentraumata und die Kolbenringe des Satans?

WING