EUROPE - 99 EURO FILMS 2

Durcheinander

8 1/2 Regisseure machen einen langen Kurzfilm

Am Anfang war eine Schnaps-Idee - und die genialsten Künstler gaben ihr Budget für Bier aus. Leider erfährt man in Europe nicht, wer was wo trank. Aber den Eintrittspreis - wegen der Kino-Krise in Deutschland inszwischen auf durchschnittlich unter 9.99 Euro gesunken - ist das Ergebnis durchaus wert.
Es begann in Oldenburg. Das dortige "Filmfest" organisierte 2001 die 99 Euro Films , schickte deutsche Filmemacher mit einfachen Digital-Video-Kameras los, um billigst kurze Visionen eines neuen Kinos jenseits grosser Budgets und eingefahrener Hollywood-Standards zu machen. Recht erfolgreich (in Programm-Kinos natürlich nur). Zwei Jahre später ging der Auftrag europweit heraus, und heraus kamen 9 Filme, die 8 Stadt-Geschichten und eine schwach verbindende "Klammer-Story" vom Kontinent zeigen.
Einerseits protzt das Projekt mit der Avantgarde-Tradition (der Trailer ist ein Godard-Remake), andererseits beeindruckt es gerade mit den einfachen Teilen. Am besten wohl in der Benjamin "Verschwende deine Jugend" Quabeck-Episode: Heike Makatsch nimmt einen Tramper in Berlin mit, der nach etwas Smalltalk plötzich Innereien seiner Fahrerin bloss legt, ihr Leben kennt, wie sie es vergass.
Andere Episoden kommen eher als schlechter Scherz oder prätentiöses Gekünstel daher, aber alle zeigen deutlich: es geht gar nicht ums Budget - es geht um Ideen. Mal zerfleischt sich in Polen die Jugend (die Punk-Version von "Lichter"), mal hängt in Wien eine Berliner Unterhose als Liebespfand überm Zaun ... oder Richard Stanley jagt in den Londoner U-Bahn-Tunneln sich selbst, als Höhlenmensch unter der Zivilisation.
Die Geld-Vorgabe hat keiner ernsthaft eingehalten, alle Teams haben ihre Freizeit für das Projekt dran gegeben, und beim genauen Hinschauen hat kaum wer einen wirklich neuen Ansatz gefunden (bis auf den Spanier Nacho Cerda möglicherweise). Im Gegenteil: nur wo die verschiedenen Europäer Hollywood-Muster bewusst benutzen (etwa: Frauen schminken sich, Männer enttarnen sich), gelingt ihnen ein Ausbruch. Deshalb wohl ist der schwächste Beitrag auch die verbindende Rahmen-Story. Wenn Europa da am Ende ins Wasser geht, ist das selbstzerstörerisch "tief", wo doch eigentlich ein "Auftauchen" gewollt war. Etwa ein Drittel der Filme könnte auch allein als Vorfilm bestehen; keine schlechte Quote bei einem No Budget Projekt.

WING

Europe. D 2003, 96 Min, R. & B.: 9 Europäer, Produktion: Tosten Neumann, RP Kahl