ERNST SEIN IST ALLES

Verbale Akupunktur

Oscar Wilde ist immer für einen Lacher gut

Die Leichtigkeit, mit der Oscar Wilde seine eher harmlose Verwicklungskomödie The Importance of Being Earnest in sauber gedrechselten Satzgefügen hingeworfen hat, sollte ihm in den Jahren danach unwiederbringlich verloren gehen. Wenige Monate nach der Theaterpremiere des luftigen Sommerstückes im Jahre 1895 wurde Wilde aufgrund seines homosexuellen Lebensstils angeklagt und zu zwei Jahren Haft verurteilt. The Importance of Being Earnest blieb zwar nicht die letzte, aber vielleicht die letzte unschuldige Komödie im Werk des britisch-irischen Bonvivants.
Regisseur Oliver Parker hat sich bereits 1999 mit Ein perfekter Ehemann als erfolgreicher Wilde-Adapteur einen Namen gemacht und setzt auch hier mit Wildes Stück mit einer veredelten Besetzungsliste nonchalant in Szene.
Rupert Everett spielt den leicht versnobten Lebemann Algernon Montgrieff (genannt "Algy"), Colin Firth den Zechkumpanen Jack Worthing. Wenn es Jack auf seinem Landsitz zu langweilig wird, besucht er seinen fiktiven Bruder Earnest in London und frönt dort unter dessen Namen dem großstädtischen Lasterleben. Damit soll jetzt Schluss sein. Jack alias Earnest hat sich in London in die adrette Gwendolen (Frances O'Connor) verliebt, auch wenn die resolute Matriarchin Lady Bracknell (Judy Dench) sich einer Heirat vehement widersetzt. Zurück auf dem Lande findet Jack dort Freund Algy vor, der wiederum als falscher Bruder "Earnest" um das Herz der schönen Nichte Cecily (Reese Witherspoon) wirbt, was zu weiteren Verwicklungen führt, die den Rahmen einer Filmkritik endgültig sprengen.
Ohnehin geht es in Ernst sein ist alles weniger um die Gesamtplausibilität der Handlungsführung als um die Eleganz, mit der sorgfältig abgepufferte Turbulenzen den Raum für stilvolle Wortgefechte eröffnen. Vor allem der Figur der beherzten Lady Bracknell hat Oscar Wilde eine Unzahl von Bonmots in den Dialog geschrieben, und Judy Dench versteht sich bestens auf die hohe Kunst verbaler Akupunktur. Regisseur Oliver Parker verlässt sich weitestgehend auf die Qualität des Textes und das Können seines Ensembles. Locations und Kostüme sind sorgfältig ausgewählt, drängen sich jedoch nicht in den Vordergrund. Nur auf der Tonspur finden sich in den saloppen Swing-Melodien aus den 40er Jahren Anzeichen einer versuchten Modernisierung. Dass Ernst sein ist alles nicht an seinen Vorgänger Ein perfekter Ehemann heranreicht, liegt hauptsächlich an der fehlenden Doppelbödigkeit des Stückes. "Eine einfache Komödie über ernsthafte Menschen" lautete Wildes eigene Einschätzung - nicht mehr, aber auch nicht weniger hat Oliver Parker auf die Leinwand gebracht.

Martin Schwickert

The Importance of Being Earnest USA/UK 2002 R&B: Oliver Parker nach dem gleichn. Theaterstück von Oscar Wilde K: Tony Pierce-Roberts D: Rupert Everett, Colin Firth, Reese Witherspoon, Judi Dench