End of Watch

Auf Streife

Ein Youtube-Märchen aus Los Angeles

Es war einmal ... in South Central ... Mit so einer Texteinblendung fangen eigentlich keine Polizeifilme an. Und mit einer starr nach vorn blickenden Kamera, mit der wir in einem Streifenwagen ein flüchtendes Auto über rote Ampeln hinweg und rempelnd durch das dickste Verkehrsgewühl verfolgen, kann seit Naked Gun eigentlich nur noch eine Satire anfangen. Zumal darüber jemand eine Heldenrede auf den Polizisten an sich hält, der unnachgiebig auf dem Weg des Gesetzes voran schreitet, nicht achtend der Gefahr und sicher, dass Hunderte ihm folgen, fiele er.

Ein bisschen irritiert allerdings der Sekunden und Minuten überspringende Time-Code im Videomitschnitt eines womöglich realen Einsatzes. Und erst recht das Durcheinander, wenn der Verfolgte gestellt wird. Ein Schuss zertrümmert unsere Windschutzscheibe, ein Schusswechsel, und alle Gangster sind tot. Was genau passiert ist, hat jemand aus dem Tape herausgeschnitten.

"Quatsch Tape, die verwenden heute Speicherkarten", klärt uns wenig später ein Streifen-Cop auf, als Action-Regisseur David Ayer (Drehbuch zu Training Day) sein visuelles Konzept in der Handlung halbwegs erklärt. Polizist Brian Taylor filmt seine Einsätze mit, stattet sogar seinen Partner mit einer Spycam aus, und bald sehen wir, dass auch die örtliche Latino-Gang beim Drive-By-Shooting alles per Handy mitfilmt.

Der toughe Alltag auf der dünnen blauen Linie zwischen Gesetz und Chaos löst sich weitgehend auf in subjektive Teilansichten, und der sprichwörtlich schlechte Ruf der L.A.-Polizei wird etwas ramponiert, wenn Brians Kumpel einen zu Verhaftenden erst einmal im fairen Kampf verprügelt, um sich Respekt zu verschaffen.

Die permanent fluchenden Streifen-Rüpel überwerfen sich auch bald mit ihren Vorgesetzten und den hochnäsigen Detectives in Zivil, die Cops bestenfalls das Absperren von Tatorten zutrauen.

Sehr bald ist der Zuschauer fest auf der Seite seiner wenig strahlenden Helden und leidet wie sie daran, dass die großen Schweinereien in der Stadt sich leider nicht dadurch bekämpfen lassen, einer durchgeknallten Crack-Nutte ihre verwahrlosten Kinder weg zu nehmen.

Aus dem Abenteuer-Spiel vom Anfang wird ein Kriegseinsatz, aus den wüsten Sprüchen der Jungs wird Verzweiflung, und aus dem basisnahen Einsatz der YouTube-Ästhetik wird dann doch ein schiefes Bild. Denn die Bösen kriegen deutlich weniger Hintergrund als die Guten. Konsequent hat Ayer längst vorher schon die Found Footage-Attitüde verlassen. Offensichtlich, um gar nicht erst den Gedanken aufkommen zu lassen, sein Märchen sei wirklich dokumentarisch. Es ist nur realistisch.

Hierzulande können wir beruhigt sein. Wir haben noch kein South Central. Wir haben nur Toto & Harry.

Wing

USA 2012, R + B: David Ayer K: Roman Vasyanov D: Jake Gyllenhaal, Michael Peña, Anna Kendrick, Natalie Martinez, Frank Grillo, America Ferrera