Ende der Schonzeit

Landlieben

Ein Jude in den 40ern versteckt sich auf einem Bauernhof

Ich bin Bauer" sagt Fritz "und wenn eine Kuh kalben soll, bringe ich sie zum Stier." Fritz (Hans-Jochen Wagner) und seine Frau Emma (Brigitte Hobmeier) sind nach langen Ehejahren kinderlos geblieben, als Fritz (Hans-Jochen Wagner) im Wald den Juden Albert (Christian Friedel) aufgabelt, der vergeblich versucht über die nahegelegene Rheingrenze in die Schweiz zu flüchten.

Man schreibt das Jahr 1942. Im tiefsten Schwarzwald mag vom Krieg noch wenig zu spüren sein, aber der Nationalsozialismus ist hier schon längst ins Denken der Landbevölkerung eingesickert. Dennoch versteckt Fritz den Juden in der Scheune seines abgelegenen Hofes. Eine helfende Hand könne er bei der Arbeit gut gebrauchen, argumentiert der Bauer. Schon bald stellt sich heraus, dass er den Gast nicht nur zum Ausmisten, sondern auch in der Stammhalterproduktion einsetzen will. Der Stier - das ist Albert.

Vielleicht war es ein Impuls des Anstands, der Fritz dazu bewegte den Juden bei sich aufzunehmen. Aber Alberts Notlage und die Macht, die der Bauer dadurch über ihn erlangt, eröffnen Möglichkeiten, die erwägt und ausgenutzt werden wollen. Dass Emma, die mit dem Begattungsverfahren zunächst keineswegs einverstanden ist, Gefallen an der sexuellen Geschicklichkeit des Gastes findet, verkompliziert das emotionale Machtgefüge innerhalb der Dreierkonstellation. Darin bleibt der drohende Verrat für beide Ehepartner immer eine Option, dessen fatale Folgen für Albert in Kauf genommen werden.

Regisseurin Franziska Schlotterer entwickelt aus ihrer Figurenaufstellung ein konzentriertes Drama, das die Auswirkungen faschistischer Strukturen auf die persönlichen Beziehungen im dörflichen Mikrokosmos untersucht.

Der Fokus bleibt dabei auf dem Dreiecksverhältnis, das nur von einigen wenigen Randfiguren flankiert wird. Schlotterer verzichtet gezielt auf die visuellen Klischees, mit denen die Zeit des Nationalsozialismus üblicherweise ins Bild gefasst wird. Nur einmal ist kurz eine Uniform im Bild, die darauf verweist, dass die verinnerlichten Strukturen Teil eines gesamtgesellschaftlichen Systems sind.

Das intime Drama, das die abgeschottete Welt des Hofes nur selten verlässt, wird mit Brigitte Hobmeier, Hans-Jochen Wagner und Christian Friedel von einem äußerst kompetenten Schauspielertrio getragen, das zwischen den kompakten, wortkargen Dialogen die Bedeutung des Ungesagten zu vermitteln versteht.

Weniger gelungen hingegen ist die Inszenierung der im deutschen Kino unvermeidlichen Rahmenhandlung, die ins Israel der siebziger Jahre führt, wo Emmas Sohn die Rätsel seiner Herkunft ermittelt und die Geschichte etwas ungelenk in den Lauf der Historie eingeordnet wird.

Aber das sind nur kleine Makel an dem vielversprechenden Spielfilmdebüt einer Regisseurin, deren zukünftige Arbeiten man gerne im Auge behalten möchte.

Martin Schwickert

D 2012 R&B: Franziska Schlotterer K: Bernd Fischer D: Brigitte Hobmeier, Hans-Jochen Wagner, Christian Friedel