EMMAS GLÜCK
Schwein gehabt Jürgen Vogel will sterben - bis er auf die Bäuerin Emma trifft
Emma kennt sich aus mit Schweinen. Sie spricht mit ihnen, legt sich neben sie, hält sanft ihren Kopf, bevor sie das Messer aus dem Stroh zieht und der Sau die Kehle durchschneidet. Von Menschen hingegen versteht die Jungbäuerin nicht so viel. Wer sich auf den Hof verirrt, schaut erst einmal in den Lauf ihrer Schrotflinte.
Emma (Jördis Triebel) ist übrig geblieben auf dem überschuldeten, kinomalerisch heruntergekommenen Schweinmastbetrieb ihres Großvaters. Die verwüstete Küche zeugt von einem langjährigen, landwirtschaftlichen Single-Dasein. Eines Nachts landet Max (Jürgen Vogel) direkt in ihrem Hof. Von der Straße abgekommen liegt er bewusstlos in seinem Wagen. Emma legt den Komapatienten auf ihr Bett und nimmt die mit Geldscheinen prall gefüllte Tupperdose an sich.
Was Emma - im Gegensatz zum gut informierten Publikum - nicht weiß: Max ist einer dieser Männer, wie sie das deutsche Kino seit Knocking on Heavens Door immer wieder heimsuchen. Befallen von einer unheilbaren Krankheit wollte Max eigentlich bis zum nahen Ende seiner Tage in Mexiko von einer Hängematte aus den Pelikanen beim Leben zuschauen. Jetzt guckt er auf Schweine. Und auf die verschrobene Emma, die ihn immer mehr fasziniert.
Es ist das alte Lied von den Gegensätzen, die sich anziehen, das Sven Taddicken - dem Roman von Claudia Schreiber folgend - singt. Der blasse, deprimierte, dem Tod geweihte Bauchspeicheldrüsenkrebspatient und die zupackende, braungebrannte Schweinebäuerin - zwei einsame Seelen, deren Liebesglück durch die drohende Anwesenheit des Sensemannes noch melodramatisch verstärkt wird.
Das alles ist Baukastendramatik der einfachsten deutschen Sorte, und trotzdem schaut man den Film mit all seinen Vorhersehbarkeiten gerne an. Das liegt an Taddickens schalkhaften Inszenierungsstil, der das sommerliche Landleben und die aufkommende Romantik nicht ohne Augenzwinkern idyllisiert. Und an der wunderbaren Jördis Triebel, die die Arme nonchalant in die Hüften stemmt, ihren Jürgen Vogel beherzt über den Hof trägt und mit ihrem kernigen Auftreten die Figur von allen angestrengten Starke-Frauen-Klischees entbindet.
Martin Schwickert
D 2006 R: Sven Taddicken B: Ruth Thoma, Claudia Schreiber K: Daniel Knapp D: Jördis Triebel, Jürgen Vogel, Hinnerk Schönemann
|