ELEGY Unfähig zu lieben Isabel Coixet verfilmt einen Roman von Philip Roth Wenn ein Film die Geschichte eines alternden Universitätsprofessors erzählt, der sich mit einer dreißig Jahre jüngeren Studentin vergnügt, ist man schnell mit dem Vorwurf der Altherrenfantasie bei der Hand. Auf den ersten Blick erfüllt Elegy alle Attribute des ungeliebten Genres. Ben Kingsley irrlichtert hier als in die Jahre gekommener Schürzenjäger durch universitäre Sphären und darf sich in erlesener Diktion an dem entblößten Busen von Penélope Cruz ergötzen. Aber hinter der gefälligen Oberfläche lauert hier eine sehr viel tiefere und aufrichtigere Auseinandersetzung mit genau jenen Männerfantasien, die Kollegen wie Bertollucci und Chabrol so unreflektiert kultivieren. Das liegt zum einen an der Romanvorlage Das sterbende Tier von Philipp Roth. Roth ist einer der wenigen bekennenden Machos in der amerikanischen Literatur, und die Auseinandersetzung mit der kriselnden Altmännlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch einige seiner Romane. Man muss die altväterlichen Lustgemälde nicht mögen, aber Roths maskuline Sicht geht immer sehr ehrlich und hochanalytisch mit sich selbst ins Gericht. Nun hat zum anderen mit der spanischen Regisseurin Isabel Coixet ( Mein Leben ohne mich ) eine Filmemacherin die Adaption übernommen, die ihre Geschichten bisher ausschließlich aus weiblicher Sicht erzählt hat. Coixet und ihr Drehbuchautor Nicholas Meyer haben die literarische Vorlage beherzt zusammengestrichen, von einigen drastischen Szenen und maskulinen Eitelkeiten befreit und daraus das differenzierte Porträt eines kriselnden Intellektuellen herausgefiltert, der an seinen eigenen Lebensparadigmen zu ersticken droht. Den Mythos der männlichen Unabhängigkeit hat dieser David Kepesh im Vorgarten des eigenen Selbstverständnisses ein halbes Leben lang kultiviert, nachdem er Frau und Kind in jungen Jahren verlassen hat, um sich in kurzlebigeren Beziehungen zu vergnügen. Mit seiner vielbeachteten Arbeit über die Wurzeln des amerikanischen Hedonismus hat er den eigenen Lifestyle sogar wissenschaftlich untermauert. Auch in Consuela wittert er zunächst nur eine weitere Beute, die mit intellektuellem Charme fachmännisch umworben werden will. Aber ehe er es sich versieht, hat die schöne kubanische Studentin ihm den schlauen Kopf verdreht. Statt sich seine Gefühle einzugestehen, stürzt sich Kepesh in ziellose Eifersüchteleien und präventive Verlustszenarien, die schon bald zum Bruch führen. Die Einsicht in die eigene emotionale Verstrickung kommt zu spät. Kingsley spielt diesen galanten Beziehungkrüppel mit einer Intensität, die alle Abwehrmechanismen gegen den Machismo der Romanfigur unterminiert. Unglaublich, was dieser Mann allein mit seinen Blicken anrichten kann! Begierde, Lust, Wut, Angst, Verlorenheit und Trauer sind hier nur einen Lidschlag voneinander entfernt. Kingsley führt seine Figur in die emotionale Ausweglosigkeit, ohne sie ihrer Würde zu berauben, und Penélope Cruz geht hier weit über die Rolle der schönen Verführerin hinaus. Ein erlesenes Nebenfigurenensemble von Patricia Clarkson als langjährige Gelegenheitsgeliebte, Dennis Hopper in der Rolle des intelektuellen Schriftsteller-Kumpels und der brillante Peter Sarsgaard als verkorkster Sohn rundet den differenzierten Diskurs ab. Coixet hat den maskulinen Monolog des Romans aufgelöst und in einen ausgewogeneren Kampf der Geschlechter und Generationen verwandelt. Natürlich ist daraus kein politisch korrektes, feministisches Lehrstück geworden, sondern eher eine prägnante und sehr melancholische Studie über männliche Liebesunfähigkeiten, die erst in der Zielgeraden ein wenig in sentimentale Gewässer abdriftet. Martin Schwickert USA 2008 R: Isabel Coixet B: Nicholas Meyer nach dem Roman "Das sterbende Tier" von Philip Roth K: Jean-Claude Larrieu D: Penélope Cruz, Ben Kingsley, Dennis Hopper Das Interview zum Film
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