Die eiserne Lady Allein mit Denis Über das langsame Verdämmern der Margaret Thatcher Meryl Streep ist Margaret Thatcher, und ihre größte Leistung wird bei uns gar nicht gewürdigt werden können: Ihre Sprache. Die Art, wie die Amerikanerin Streep Tonfall und Betonung der ehemaligen Premierministerin adaptiert hat, ist geradezu unheimlich. Jeder Besucher der deutsch synchronisierten Fassung bekommt nicht einmal einen halben Eindruck von dem, was die in New Jersey geborene Streep da zustande gebracht hat. Leider sind die Meriten dieses seltsam unentschlossenen Films damit auch schon aufgezählt. Ein Großteil befasst sich mit der Demenz der alten Baronesse Thatcher, die zu Anfang des Films etwas tüdelig über die Straße wackelt und einen Pint Milch kauft. Per Rückblende erinnert sie sich an die Schritte ihrer Karriere - Kandidatur fürs Parlament, Parteichefin, erste Ministerpräsidentin Englands - ohne dass inhaltlich über sie mehr bekannt würde als ihr kleinbürgerliche Glaube an "alte Werte": Wer gut arbeitet, der darf auch gut leben, wer streikt, soll verhungern. Margaret Thatcher war mehr als das. Sie hat noch vor Ronald Reagan und ähnlich wie der chilenische Diktator Pinochet den Friedmanschen Wirtschaftsliberalismus durchgesetzt. Sie hat den Irland-Konflikt eskalieren lassen, die Gewerkschaften zerschlagen, die Eisenbahn privatisiert, das Land in Glamour und Glitter für die Börsenbubis getaucht, der herrschenden Klasse zu ihrem alten Recht verholfen - und wurde, als sie lästig wurde, abserviert. Der netteste Gag im Film ist, dass ihr Nachfolger John Major zwar mehrfach im Bild zu sehen ist, aber nie beim Namen genannt wird. Frau Thatcher in Phyllida Lloyds Ausstattungsstück (die Regisseurin hat zuvor die Musikkomödie Mamma Mia! inszeniert) ist eine etwas schrille, sture Frau, von der man annehmen muss, dass allein ihre Sturheit sie an die Spitze gebracht hatte. Dass manchmal trotzdem mehr zu sehen ist, liegt an der mächtigen Präsenz der Schauspielerin Meryl Streep. Die Szene, in der sie sich kurz vor einem Termin im Königspalast ihr Kleid am Busen herum ändern lässt und gleichzeitig, quasi halb entblößt, mehrere Minister und Funktionäre abkanzelt, charakterisiert den harten Thatcher-Kern genauer als alles Drehbuchgerede. Thatcher-Fans hassen den Film, weil er die Eiserne Lady auf ein dementes Wrack reduziert, das ein paar schäbige Erfolge memoriert. Thatcher-Gegner hassen den Film, weil er ihr Tun weder erklärt noch richtig darstellt: Der enthemmte Marktliberalismus wäre ohne ihre Vorarbeit nicht möglich. Kinofreunde wundern sich über die Leere, die vorherrscht. Das immer gleiche Schlaf- und Wohnzimmer dient als Startpunkt für beliebige Erinnerungsfetzen. Allein die Liebe zu ihrem Mann Denis bleibt als Roter Faden erkennbar, der Rest sieht aus wie "Eine Frau will an die Macht". Nicht mal für die Ironie in Thatchers Wirken hat das Drehbuch der TV-Autorin Abi Morgan ein Gespür: Thatchers irrsinniger Falklandkrieg sorgte in der Folge unbeabsichtigt für das Ende der argentinischen Militärdiktatur. Das kommt im Film mal wieder nicht vor. Dafür sehen wir in aller Ausführlichkeit eine ihrer legendären Kabinettssitzungen, in denen sie ihre Minister wie Schulbuben runterputzt. Dann sehen wir aber auch schon, wie sie in ihren dementen Träumen sich von Denis endgültig verabschiedet (der schon vor vielen Jahren starb), und dann wackelt sie langsam den leeren Gang in ihrem Alterswohnsitz entlang. Das ist das erste gescheite Bild für ihren Abgang in den Nebel des Vergessens, sowohl des persönlichen als auch des politischen. Der jetzigen Tory-Partei ist sie bestenfalls peinlich. Frau Thatcher hat für diese der Labour-Partei inzwischen zum Verwechseln ähnlichen Smarties-Truppe unter James Cameron nur vernichtende Worte übrig, die sie auch im Film spricht: "Heute geht es nur darum, jemand zu sein. Uns ging es darum, etwas zu tun." Und sei es das Falsche. Thomas Friedrich The Iron Lady GB/F 2012 R: Phyllida Lloyd B: Abi Morgan K: Elliot Davis D: Meryl Streep, Jim Broadbent, Susan Brown, Alexandra Roach
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