EIN GUTES JAHR
Idyll und Sehnsucht Ridley Scott macht sich ein paar nette Tage
Die Provence ist für Briten das, was für die Deutschen einmal die Toskana war, der Inbegriff mediterraner Gelassenheit, der Gegenpol zur unterkühlten Heimatmentalität, Projektionsfläche für Aussteigerfantasien, die zumeist auf den Erwerb eines Feriendomizils hinaus laufen. Der britische Autor Peter Mayle hat sich Ende der Achtziger aus der Londoner Werbebranche in die Provence zurückgezogen und sein mediterranes Exildasein erfolgreich vermarktet. Dreizehn Romane hat er veröffentlicht, in denen er den eigenen Landsleuten und einer immer größer werdenden internationalen Leserschaft das entspannte Leben im Süden Frankreichs näher bringt.
Dass nun ausgerechnet ein Regisseur wie Ridley Scott, der für hochprozentige Monumentalwerke wie Gladiator verantwortlich ist, sich an einem solch leichten Landwein schadlos hält, verwundert zunächst.
Ein gutes Jahr beschreibt die Menschwerdung eines Londoner Yuppies. Als Investment-Unternehmer ist Max Skinner (Russell Crowe) mit allen Wassern gewaschen. Gerade hat er durch gezielte Börsenmanipulation an nur einem Tag einen mehrfachen Millionengewinn eingefahren, als er vom Tod seines Onkels erfährt, der ihm in der Provence ein Haus samt Weinberg vermacht hat. Onkel Henry war das, was man in den 70ern einen Lebenskünstler nannte. Einer, der sich mit möglichst wenig Arbeit ein Höchstmaß an Lebensgenuss verschaffte. Eigentlich will der vielbeschäftigte Erbe nur für einen Nachmittag nach Frankreich jetten, um die notwendigen Formalitäten beim Notar zu erledigen und die idyllische Immobilie durch seinen Makler gewinnbringend verkaufen.
Dass die langjährigen, erdverbundenen Pächter des Weinbergs davon wenig begeistert sind, stört Max wenig. Dass bald noch eine uneheliche Tochter vor dem Anwesen aufkreuzt und möglicherweise ihre Erbrechte geltend machen will, durchkreuzt allerdings die Pläne des Investment-Profis. Der Zwangsaufenthalt in der Provence konfrontiert ihn sowohl mit sonnendurchfluteten Kindheitserinnerungen als auch mit der gelassenen Lebensart der Landbevölkerung.
Man muss kein Prophet sein, um das Ende der Geschichte nach einer halben Kinostunde voraussehen zu können. Das ist auf eine gewisse Weise konsequent, denn schließlich wirbt der Film ja für das überraschungsfreie, lustvolle Leben auf dem Lande und verbrät dabei nicht ohne eine gewisse Selbstironie alle zur Verfügung stehenden Frankreichklischees.
Das alles wäre vielleicht ganz nett anzusehen, wenn Ridley Scott mehr Sinn für komödiantische Nuancen hätte und Russel Crowe weniger eitel in die Rolle des Lustspielmimen schlüpfen würde. Bei Crowe hat man das deutliche Gefühl, dass die Figur des urbanen Egozentrikers ein wenig zu nahe an die eigene Psychognomie gebaut ist. Scott inszeniert jede Pointe mit jener Wucht, mit der er sonst seine Schlachtengemälde vorstellt.
Im übrigen ist der Film komplett geklaut: 1972 hat Billy Wilder die annähernd gleiche Geschichte unter dem Titel Avanti! verfilmt
Martin Schwickert
A Good Year USA 2006 R: Ridley Scott B: Marc Klein K: Philippe le Sourd D: Russell Crowe, Albert Finney,
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