Ein freudiges Ereignis Die Wandlung Elternschaft als Belastungsprobe: eine französische Komödie mit klarem Blick auf die Dinge Ein erstes Rendezvous. Ein erster Kuss. Ein erstes "Ich liebe dich". Und dann der folgenschwere Satz: "Ich will ein Kind von dir". Zu Beginn von Rémi Bezançons Ein freudiges Ereignis haken Barbara (Louise Bourgoin) und Nicolas (Pio Marmaï) die verschiedenen Stadien des Liebesglücks im Schnelldurchlauf ab, und wenig später hängt die schwangere Philosophie-Doktorantin, die über Kant und Wittgenstein promoviert, kotzend über der Toilettenschüssel. Für Barbara ist die Schwangerschaft wie eine Machtergreifung durch unbekannte Invasoren. Hormone und Libido spielen verrückt, die Liebe zu Nicolas verliert an Frische, die Zukunftsplanung gerät ins Schwanken und das kollektive Hecheln im Geburtsvorbereitungskurs ist irgendwann einfach nicht mehr auszuhalten. Dann doch lieber ins Café und die letzten Tage in Freiheit genießen. Mit viel Liebe zum komischen Detail setzt Bezançon (C'est la vie) die emotionale Achterbahnfahrt in Szene, die mit der unweigerlich herannahenden Mutterschaft einhergeht. Die Angst vor der Ungewissheit des neuen Lebensabschnittes und dem vermeintlichen Ende aller spätadoleszenten Freiheiten bestimmen Barbaras Zweifel am Projekt "Baby". Ein freudiges Ereignis macht da weiter, wo die meisten einschlägigen Beziehungskomödien aufhören. Denn mit dem Neugeborenen fängt der emotionale Ausnahmezustand erst an. Wochenbettdepression, schlaflose Nächte und übermächtige Fürsorgegefühle ergreifen von Barbara Besitz, während Nicolas zur Finanzierung einer größeren Wohnung sein mäanderndes Leben als Videotheksangestellter gegen einen Bürojob mit Anzug, Schlips und langen Arbeitszeiten eintauscht. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten geht Barbara voll und ganz in der Übermutterrolle auf, schließt sich einer militanten Stillgruppe an und merkt gar nicht, dass sich ihre Doktorarbeit unweigerlich in einen Selbsterfahrungsbericht verwandelt und die symbiotische Beziehung zum Kind kaum noch Platz für die Liebe zu Nicolas lässt. Bezançon, der hier einen Roman von Éliette Abécassis für die Leinwand adaptiert, nimmt nicht die zurückgelehnte Haltung der Komödie ein, die aus amüsierter Distanz heraus auf ihr Sujet blickt, sondern lässt sich voll und ganz auf die Subjektivität des Stoffes ein. Tief hinein taucht der Film in vorgeburtliche Angstfantasien, euphorische Glückszustände und lethargische Stillnebelseeligkeit. Dabei überzeugt die fabelhafte Louise Bourgoin auf der ganzen Skala der verwirrten Gefühle. Nur punktuell gleitet der Film in die sicheren Gefilde der Stereotypisierungen, etwa wenn der Mann im Kreißsaal unbedingt auch noch in Ohnmacht fallen muss. Aber insgesamt fängt Ein freudiges Ereignis die komischen und tragischen Aspekte des emotionalen Kuddelmuddels vor und nach der Geburt eines Kindes authentisch ein. Martin Schwickert Un heureux événement F 2012 R: Rémi Bezançon B: Vanessa Portal, Rémi Bezançon nach dem Roman von Éliette Abécassis K: Antoine Monod D: Louise Bourgoin, Pio Marmaï, Josiane Balasko
|