Eine dunkle Begierde Sprich mit ihr! Warum Freud und Jung erfanden die Gesprächstherapie und redeten anschließend nicht mehr miteinander Es muss noch etwas anderes geben, das die Welt in ihrem Inneren antreibt" sagt C.G.Jung (Michael Fassbender) nach dem ersten Gespräch mit Sigmund Freud (Viggo Mortensen). Dreizehn Stunden lang haben die beiden in Wien ununterbrochen über Freuds Theorie der Psychoanalyse debattiert, die die Libido als treibende Kraft des Menschen in den Vordergrund stellt. Es wird noch Jahre dauern bis sich der Schüler Jung von seinem Mentor Freud distanzieren wird. Der kanadische Regisseur David Cronenberg (History of Violence) begibt sich hier in die Gründerzeit der Psychoanalyse und erweitert das Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Freud und Jung um eine weitere Person: Sabina Spielrein (Keira Knightley) muss, als sie im Klinikum "Burghölzli" eingeliefert wird, von den Pflegern an allen Vieren hineingetragen werden. "Hysterie" lautet die Diagnose. Als junger Arzt erprobt Jung seine neuentwickelte "Sprechkur", die sich auf Freuds Erkenntnisse stützt. Die aus wohlhabenden Verhältnissen kommende russische Patientin scheint die ideale Probandin zu sein. Aus den väterlichen Misshandlungen in ihrer Kindheit hat sie ein masochistisches Verlangen entwickelt, das durch selbstzerstörerische Schuldgefühle kompensiert wird. Jung gelingt es, die junge Frau in seiner Gesprächstherapie zu heilen und beginnt eine Affäre mit ihr, in der er selbst die dunkleren Seiten des sexuellen Verlangens erkundet, ohne sich jedoch aus seiner Ehe zu Emma (Sarah Gordon) lösen zu können. Trotz des tragischen Verlaufs der Beziehung nimmt Sabina Spielrein das Medizinstudium auf und legt ihre eigenen psychologischen Forschungsarbeiten vor. Mag sein, dass Eine dunkle Begierde für einen Film von David Cronenberg zunächst etwas gediegen daher kommt. Schließlich erforschte der kanadische Regieexzentriker in Crash sogar schon die erotische Wirkung von Verkehrsunfällen, und in eXistenZ die schwindenden Grenzen zwischen Körperwelten und Cyberspace. Dagegen wirkt dieses Historiendrama deutlich weniger experimentell, auch wenn seine Hauptfiguren Pioniere der Seelenforschung sind. Äußerst konzentriert seziert Cronenberg die Beziehungen seiner Figuren, die höchst eloquent über den Sexualtrieb sinnieren können und dennoch fest in den Verhaltensregeln des 19.Jahrhunderts gefangen sind. In einer schönen Nebenrolle tritt als Kontrastmittel Vincent Cassel als Otto Gross auf, der seiner Libido freien Lauf lässt und wie ein Vorbote des neuen hedonistischen Jahrhunderts daher kommt. Was an diesem Film größte Freude bereitet sind die Dialoge und die verbale Kraft, mit der sich Freud und Jung zunächst gegenseitig inspirieren, um sich später noch entschiedener zu beharken. Die Präzision der Worte findet in Cronenbergs klar komponierten Bildern und dem exakten Schnitt seine visuelle Entsprechung. Hinzu kommen die hervorragenden Schauspieler. Keira Knightley trägt als von Neurosen gepeinigte Patientin vielleicht anfangs ein wenig zu dick auf. Aber mit Viggo Mortensen als Freud und Michael Fassbender als Jung kann man zwei Schauspieler auf dem Höhepunkt ihres Könnens bewundern, die die intellektuell aufgeladenen Dialoge federleicht mit nuancierter Präzision unter das gemeine Kinovolk bringen. Martin Schwickert A Dangerous Method GB/F/D/KAN/CH 2011 R: David Cronenberg B: Christopher Hampton K: Peter Suschitzky D: Michael Fassbender, Viggo Mortensen, Keira Knightley
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