EGOISTE - LOTTI LATROUS

Mamma Schweizer

Ein Leben für das AIDS-Hospiz in Abidjan

Am Ende kommt der Weihnachtsmann. Und er hilft, auch wenn der Beschenkte, ein kleiner, kranker schwarzer Junge, am nächsten Morgen tot sein wird. Am Ende kommt es darauf an, immer das Richtige zu tun, auch wenn es noch so wenig ist. Das ist die Botschaft von Lotti Latrous. Sie klingt kitschig.

Damit sie nicht kitschig aussieht, drehte Stephan Anspichler seinen Dokumentarfilm über Lotti, die Schweizerin des Jahres 2004, die 2006 zum Friedensnobelpreis nominiert wurde, eher ruppig und etwas ungelenk, manchmal sogar mit komischen Effekten. "Ich bin die größte Egoistin der Welt" sagt Lotti als sie erklärt, warum sie an der Elfenbeinküste, in den Slums vom Abidjan, ihr AIDS-Hospiz eröffnete und schließlich ihre Familie verließ. Sie tue das, weil es sie glücklich mache.

Lotti Latrous stammt aus reichen schweizer Verhältnissen, heiratete einen ägyptischen Manager des Nestlé-Konzerns und reiste mit ihm von Job zu Job und Land zu Land. Irgendwann war sie das privilegierte Leben leid und den Smalltalk mit anderen Manager-Gattinnen, deren größtes Problem abgebrochene Fingernägel waren. Sie half im örtlichen Krankenhaus aus, sie begann, sich in den Slums um die Ärmsten zu kümmern, und als ihr Mann wieder einmal versetzt wurde, blieb sie einfach da.

Solche Hintergründe erzählt der Film meist in Texttafeln zwischen den Bildern. Vor der Kamera sehen wir unkommentiert einige Dutzend Bittsteller bei Lotti vorsprechen: Einer beschwert sich, die Kakerlaken hätten alle T-Shirts gefressen, die man ihm geschenkt habe. Eine weint stumm, als sie erfährt, dass ihre Tochter auch HIV-positiv ist. Einer führt seine Hymne auf die Regierung vor und möchte das Hospiz darin lobend erwähnen, gegen einen gewissen Sponsor-Beitrag.

Wie genau das geht, woher Geld und Medikamente kommen und wie sich der jahrelange Bürgerkrieg auf Hospiz-Arbeit, Ambulanz und Waisenhaus auswirkte, darum kümmert sich der Film nicht. Er konzertiert sich ganz auf Lotti Latrous, die unermüdlich tröstend wirkt und wenn sie doch einmal erschöpft am Rande sitzt, noch ein krankes Kind streichelt.

Außerdem besuchte Stephan Anspichler Lottis Familie. Beinahe tragikomisch montiert er Bilder vom Nestlé-Schokoladeneis-Produktionsband zwischen die endlose Arbeit in Afrika und die respektvollen Äußerungen ihres Manns und ihrer drei Kinder. Alle finden es großartig, was Lotti tut, auch wenn es privat nicht einfach sei, dass die Familie nur im Urlaub mal zusammenfindet. Und die Mutter dann an der Hotelbar keinen Krabbencocktail essen will, weil sie für das Geld so viel Gutes tun könnte.

Mehr Psychologie gibt's nicht, Politik gibt's überhaupt nicht. Sowas braucht die größte Egoistin der Welt auch nicht. Der Zuschauer möchte aber wohl doch manchmal etwas nachfragen.

Wing

D/CH 2007 R: Stephan Anspichler