EDTV


Keine ruhige Minute

Noch ein Kerl unter TV-Beobachtung

Amerika hat ein Problem: das Fernsehen. Auf der Suche nach authentischen Bildern dringt das Medium immer tiefer in die Privatsphäre der Gesellschaft. "Reality TV" steckt hierzulande noch in seinen RTL-Kinderschuhen. In den USA gehört der mediale Schauwert des Privaten längst zum Alltag. In letzter Zeit reagiert das Kino - als Konkurrent und Kollaborateur des Fernsehens - mit zunehmender Besorgnis auf diese Entwicklung. Seit Jahren schon gehört das aufdringliche, sensationslüsterne TV-Team zum zeitkritischen Standardinventar der meisten Hollywoodproduktionen. Peter Weirs Truman Show schließlich ging zum medienkritischen Frontalangriff über. Unübersehbar schließt EDtv an den Erfolg dieses Films an. Aber wie so oft bei der Zweitverwertung eines interessanten Themas kommt Ron Howards Mediensatire deutlich zahnloser daher als Weirs intelligente Tragödie.
Ähnlich wie Truman, der sein ganzes Leben unter heimlicher Beobachtung der TV-Kameras verbrachte, ist auch Ed (Matthew McConaughy) rund um die Uhr auf den Bildschirmen der Nation präsent. Der Sender "TrueTV" hat den arglosen Mittdreißiger für eine neue Show angeworben und folgt ihm auf Schritt und Tritt durch sein ganz normales Leben. Als Videotheksangestellter führte Ed bisher ein langweiliges, zufriedenes Dasein, aber der Versuchung, durch die Show reich und berühmt zu werden, konnte er nicht widerstehen. Das Publikum zeigt sich begeistert von der Alltäglichkeit seines Helden und folgt ihm gebannt beim Zähneputzen und Zehennägelschneiden. Als sich Ed schließlich sogar vor laufenden Kameras in die Freundin seines Bruders Ray (Woody Harrelson) verliebt, schießen die Einschaltquoten in schwindelerregende Höhen. Innerhalb weniger Tage ist der unscheinbare Loser zur Berühmtheit geworden und das bleibt, wie man weiß, nicht ohne Einfluß auf Charakter und Privatleben. In Umfragen richtet das sensationslüsterne Publikum darüber, ob Shari (Jenna Elfman) gut genug für den neugeborenen Star ist. Wenig später schon sind Nacktfotos der Geliebten im Internet verfügbar. Um zusätzlich unterhaltsame Verwirrung in Eds Liebesleben zu bringen, schleust die Fernsehgesellschaft ein verführerisces Model (Elisabeth Hurley) ins Reality-Geschehen ein. Als Shari auf der Flucht vor Fans und Kameras Stadt und Liebhaber verläßt, versucht Ed vergeblich dem Medienspektakel ein Ende bereiten.
EDtv will eindeutig zuviel auf einmal. Zunächst beginnt der Film mit vielversprechenden Soap-Elementen. Eds Familie scheint direkt einer US-Sitcom entsprungen zu sein. Um die obligatorische Couch gruppieren sich Sally Kirkland als etwas derangierte Mutterfigur, Woody Harrelson als bräute-stemmender großer Bruder und Martin Landauer, der als Stiefvater aus dem Rollstuhl heraus sarkastische Kommentare serviert. Aber schon bald driftet die skurrile Angelegenheit in Richtung romantische Komödie, formuliert hier und da auf populäre Weise ein wenig Medienkritik und landet schließlich im unvermeidlichen Happy End.
Als Satire hat EDtv zu wenig Biß, als Romanze zu wenig Kitsch und als gesellschaftskritisches Statement zu wenig Grips. Wieder so ein Film, der es allen recht machen will und der trotz großem Staraufgebot (sogar Dennis Hopper schaut einmal kurz herein) nur selten aus dem Fahrwasser der Belanglosigkeit auftaucht.

Martin Schwickert