EDEN

Gaumenfreundin

Ein deutscher Film über Essen und Lieben

Das geht durchaus. Charlotte Roche Fruchtpudding vom Bauch schlabbern. Mit Enten schnäbeln, während man sie rupft. Mit Lebensmitteln spielen - und mit dem Leben des dicksten Kochs der Welt.
Den gibt der Theaterschauspieler Josef Ostendorf, ebenso massig wie verschüchtert, außerhalb der Küche ungelenk und etwas stotternd. Versonnen erklärt er der toten Ente, dass Kochen die Mutter aller Kunst und Philosophie sei. Ob Regisseur und Drehbuchautor Michael Hofmann hier absichtlich einen Hauch Nick Hornby einrührte?
Während der Koch verzückt in seinen Zutaten wühlt, blanchiert der Regisseur kurz dessen Lebensweg: Schon immer wollte er einen Bauch haben, seit er seiner schwangeren Mutter beim Duschen zusah.
Weitere Frauen spielten keine Rolle mehr bei der Erlangung seines Wohlfühlgewichts. Heute sitzt er in Kochpausen gern im Gartenrestaurant eines spießigen Kurorts und guckt flachen Kellnerinnen zu. So gerät er an Charlotte Roche in ihrer ersten Kinorolle.
Konsequent unauffällig, fast nur flüsternd (ihr Rollenname ist der Filmtitel) treibt) treibt sie durch den Alltag, serviert alten Kaffee, liebt ihre süße kleine Tochter mit Down-Syndrom und erträgt einen stumpfen Ehemann. Koch und Kellnerin kommen ins Gespräch, irgendwie kommt eine seiner selbstgemachten Pralinen in ihren Mund, und alles wird anders.
Michael Hofmann hat von Bittersüße Schokolade bis Grüne Tomaten, von Dumplings bis Chocolat viele Filme gesehen, die von Erotik und Tod am Herd handeln. Ebenso offensichtlich aber bemüht er sich, bloß keine Ähnlichkeiten aufkommen zu lassen.
Hier spritzt kein Fett, hier perlt kein Schweiß; die von Foodstylisten überwachten Zubereitungsszenen haben eher den Charme einer kalten Platte, mehr einfallsreich als aufregend. Und die tollste Erfindung ist eine Schoko-Cola-Soße, die sogar Kühlschrankreste noch zum Schmaus erhebt und vor allem die Tochter glücklich macht.
Koch und Kellnerin entwickeln ein platonisches Nähr-Verhältnis miteinander. Er experimentiert ihr zuliebe mit Leberwurst-Variationen, sie entdeckt erneut die Liebe zu ihrem Ehemann. Sogar schwanger wird sie, nach langen trocken Jahren.
Leider sieht der Mann, von tumben Kumpels angestachelt, es gar nicht gern, dass seine Frau sich anderswo den Appetit holt. Eifersucht, Hahnenkampf, Bauerndrama ... was als Ahnung von Gier und Lust, Sinnlichkeit und neuen Möglichkeiten auf kleiner Flamme lange simmerte, droht in hastigen 10 Minuten zu zerfallen wie falsch gewickelter Fisch. Aber dann gibt es noch ein Dessert und alles wird gut.
Charlotte Roche ist nicht Johnny Depp, Josef Ostendorf ist nicht Andrea Ferreol, aber Michael Hofmann hat ein hochinteressantes Film-Menü angerichtet, das auf mehreren Festivals schon mit Publikumspreisen ausgezeichnet wurde. Kriegte man zu jeder Kinokarte auch noch ein Rezept hinzu, würde die Welt wohl gerettet.

WING

D 2006, R+B: Michael Hofmann, K: Jutta Pohlmann, D: Josef Ostendorf, Charlotte Roche, Devid Striesow, Max Rüdlinger