»ECHOES - STIMMEN AUS DER ZWISCHENWELT«

Horror-Handwerk

Kevin Bacon sieht was, was wir nicht sehen

Auf den ersten Blick wirkt David Koepps Echoes wie ein einfaches Ripp-Off von The Sixth Sense . Auch hier geht es um paranormale Erscheinungen und einen kleinen Jungen, der mühelos mit den Geistern der Verstorbenen kommuniziert. Beide Filme verstehen sich als Gegenantwort auf die abgenudelten Teenie-Schlitzer-Werke der letzten Jahre und besinnen sich auf die alten Suspense-Traditionen von Hitchcock, Polanski und Edgar Allen Poe. Während The Sixth Sense jedoch auf eine unwirklich durchgestylte Designer-Oberfläche setzte, ist Echoes fest im gesellschaftlichen Hier und Jetzt verankert.
Tom (Kevin Bacon) ist ein einfacher Elektriker in Chicago und vom eintönigen proletarischen Familienalltag deprimiert. Als seine Frau Maggie (Kathryn Erbe) ihm eröffnet, dass sie erneut schwanger ist, hält sich seine Freude in Grenzen. "Ich habe nicht gedacht, dass ich einmal berühmt werde", sagt Tom zu ihr, "aber auch nicht, dass mein Leben so gewöhnlich wird". Mit dem gewöhnlichen Leben ist es bald vorbei. Als bei einer Bierparty in der Nachbarschaft die esoterisch angehauchte Schwägerin (Illeana Douglas) von ihrem Hypnosekurs berichtet, winkt Tom nur müde ab. Ein echter Kerl wie er sei nicht hypnotisierbar. Der Versuch beweist das Gegenteil, und von der Amateurbehandlung wird sich Tom so bald nicht wieder erholen. Übelkeit und Halluzinationen sind die Folgen, in seinen Alpträumen sucht ihn die Gestalt eines vermissten Mädchens aus der Nachbarschaft heim. Der Wahn ergreift immer deutlicher von ihm Besitz, und Kevin Bacon, der hier endlich einmal in einer Hauptrolle zu sehen ist, kommt äußerst überzeugend auf den Hund. Wie ein Berserker beginnt Tom den Garten umzugraben, den Keller aufzustemmen, um hinter das Geheimnis seiner Visionen zu kommen.
David Koepp nimmt die klassische Horrorgeschichte durchaus ernst und spart dennoch nicht mit komischen Momenten. Im spirituellen Chaos ist der kleine Sohn (Zachary David Cope) der einzige, der den Überblick behält und dabei auf gute diplomatische Beziehungen zum Reich der Toten zurückgreifen kann. Koepp verwendet viel Zeit darauf, das eintönige Working-Class-Leben seiner Figuren mit sozialer Genauigkeit zu beschreiben, gerade aus dem Kontrast zwischen bodenständiger Normalität und übernatürlichem Grauen bezieht der Film Atmosphäre, Witz und Spannung. Schockelemente werden sparsam, aber effektiv eingesetzt - keine nervenzerfetzende Blutarien, sondern solides, traditionsbewusstes Horrorhandwerk.

Martin Schwickert