DARK WATER

Nah am Wasser
Ein Horror-Remake der besseren Sorte: Jennifer Connelly zieh ins falsche Haus

Gute Horrorfilme definieren sich durch die Wahl ihrer Location. Unvergessen bleiben von The Shining nicht nur Jack Nicholson mit dem Hackebeil, sondern auch die langen Flure des Overlook Hotels, durch das ein quietschendes Kinderdreirad fährt.
Der brasilianische Regisseur Walter Salles (Central Station/Motorcycle Diaries) hat für sein Hollywooddebüt Dark Water - ein Remake des gleichnamigen und beeindruckenden Filmes von Hideo Nakata - eine begnadete Filmkulisse gefunden. Fünf Minuten von der schicken New Yorker Upper East Side entfernt liegt Roosevelt Island. Im 19.Jahrhundert standen hier Irrenanstalten, Armenhäuser, Hochsicherheitsknäste und ein Pockenkrankenhaus.
Die Vorgeschichte als soziale Quarantäne-Station hat die Insel im East River auch dann nicht abwerfen können, als in den 70ern im Stile des sogenannten Brutalismus riesige Sozialwohnungsbaukomplexe hochgezogen wurden. In diesem Monument architektonischer Arroganz, das im Zustand der Verwahrlosung eine tiefdepressive Aura abstrahlt, hat Walter Salles zurecht eine ideale Kulisse für einen Psychothriller gesehen.
Nach einer hässlichen Scheidung zieht Dahlia (Jennifer Connelly) mit ihrer 7jährigen Tochter Ceci nach Roosevelt Island, weil die Wohnungen in Manhattan für sie unbezahlbar sind. Das Apartment 9F ist heruntergekommen, der Aufzug stellt jeden Tag neu die Vertrauensfrage, und der Hausmeister (Pete Postlethwaite) sieht aus wie der Glöckner von Notre-Dame.
Dahlia ist sich nicht sicher, ob sie diesen Neuanfang schafft. Die Sorgerechtsklage hängt noch in der Luft. Migräneattacken und traumatische Erinnerungen an die eigene Mutter, die sie systematisch vernachlässigt hat, belasten sie zusätzlich. Dann sind da noch dieser schwarze, feuchte Fleck an der Decke, der immer größer wird und zu tropfen beginnt, und die Schritte in der Wohnung obendrüber, die schon lange von ihren Mietern verlassen wurde. Irgendwann stürzt Dahlia nach oben. Alle Hähne sind aufgedreht, das Wasser steht kniehoch im Flur, und aus der Badewanne spricht ihre Mutter zu ihr.
So muss es wohl aussehen, wenn man langsam verrückt wird. Ob wir uns in einem Psychohorror oder in einem dieser neumodischen übernatürlichen Thriller befinden - die Frage lässt Walter Salles bis zum Schluss offen. Der Hausmeister jedenfalls hat für alles eine logische Erklärung: Das marode Rohrsystem, ein paar jugendliche Einbrecher. Oder vielleicht ist alles nur eine perfide Strategie des Ex-Mannes, der die Mutter seines Kindes in den naheliegenden Wahnsinn treiben will.
Die Story bietet immer wieder Fluchtwege an, die dem Horror eine realistische Erklärung abringen, jedoch nie ganz wasserdicht sind und im Kopf des Publikums einen Restzweifel nähren. Auch wenn Salles sich manchmal etwas freizügig am Grabbeltisch der Genrevorlagen bedient, so entwickelt er in Dark Water doch seinen eigenen Stil und zeigt Qualitäten, die man in diesem Genre oft vermisst.
Visuell überzeugt Dark Water mit seinen düsteren, nie unrealistischen Stadtlandschaftsgemälden und einer Farbgebung, die nur selten das Spektrum von Grau, Braun und Umbratönen verlässt. Jenniffer Connelly (Ein Haus aus Sand und Nebel) findet in dieser nah an Wasser und Wahnsinn gebauten Rolle genau die richtige Balance zwischen Fragilität und Stärke, im Nebenensemble glänzen John C. Reilly als windiger Immobilienmakler, Tim Roth als juristischer Schutzengel und Pete Postlethwaite als steingesichtiger Hauswart.

Martin Schwickert
USA 2005 R: Walter Salles B: Rafael Yglesias K: Affonso Beato D: Jennifer Connelly, John C. Reilly, Tim Roth