DU SOLLST NICHT LIEBEN Männer mit Locken Ein stilles Drama über schwule Juden Eigentlich, sagt Regisseur Haim Tabakman, gibt es gar keine schwule Juden. Bei Männern zu liegen ist für Männer zwar ein schwerer Fehler, homosexuell zu sein ist aber eine religiöse Unmöglichkeit. Erst recht für orthodoxe Juden, die nicht ins Kino gehen, aber DVDs gucken dürfen, die sich die Schläfenhaare nicht schneiden und Filmteams mit Steinen bewerfen, wenn sie ein paar Aussenaufnahmen in einem wirklichen orthodoxen Viertel in Jerusalem drehen. Aaron Fleischmann ist so einer, der Fleischer seiner Gemeinde, in dessen Laden eines Tages der junge Tora-Student Ezri vor dem Regen flüchtet. Bald wird Ezri als Aushilfe angestellt, wohnt in einem Lagerraum und wächst Aaron ans Herz. Erste Annäherungsversuche wehrt Aaron zwar ab, aber langsam kommt ihm Ezri näher. Ausführlich stellt Tabakman religiöse Diskussionen und orthodoxes Alltagsleben vor, die europäischen Augen und Ohren ziemlich fremd bleiben. Offensichtlich ist Mühsal eine Gottesgabe und der eheliche Verkehr eine rituelle Angelegenheit. Romantische Liebe und Leidenschaft scheinen keine Rolle zu spielen, Regeltreue und Zusammenhalt aber um so mehr. Unübersehbar beobachtet die Gemeinde jeden Schritt ihrer Mitglieder, geradezu freundschaftlich wirkt der Rabbi auf Aaron ein, seine Abweichung aufzugeben und pfeift beleidigte Eiferer zurück. "Ich war tot und nun lebe ich" antwortet Aaron, lässt aber zu, dass die Gemeinde seinen Freund aus dem Bezirk der Rechtgläubigen hinaus prügelt. Auf seltsame Weise verbindet der Film kleinteiligen Realismus mit strengem Formalismus im Bildaufbau. Haim Tabakmann wollte wohl ebenso symbolisch wie vorsichtig sein. Den unmöglichen Akt der Befreiung im Kühlhaus der koscheren Fleischerei nur anzudeuten, ist einerseits seriös, anderseits wohl eine eklatante Verletzung der Reinheitsgesetze. Aaron am Ende ausgerechnet im Reinigungsbad untergehen zu lassen ("ich habe gebadet" ist der eheliche Code für "ich bin rein, wir können"), ist einerseits ein poetisches Bild, andererseits eine verklausulierte Anklage. Das kann kein Gott gewollt haben. Wing Einayim Pkuchot / Eyes Wide open. ISR/FR/D 2009. R: Haim Tabakman B: Merav Doster K: Axel Schneppat D: Zohar Strauss, Ran Danker, Tinkerbell, Tzahi Grad
|