DU BIST NICHT ALLEIN
Ohne Wut
Wie man aus der Arbeitslosigkeit wieder ins Leben zurückfindet.
In der funkelnagelneuen Uniform eines Security-Unternehmens stolziert Frau Moll (Katharina Thalbach) über die S-Bahn-Brücke in Berlin-Marzahn. Das Jackett schlackert ein wenig, und die riesige Dienstmütze scheint den kleinen Kopf zu erdrücken. Aber Frau Moll ist bereit, in ihre neue Aufgabe hineinzuwachsen. Man kann ihr dabei zusehen. Wie sie sich aufrichtet und den taxierenden Blick einer zukünftigen Objektschützerin einübt. Schließlich hatte der Motivationstrainer im Einführungslehrgang erklärt: "Ihre wichtigste Waffe ist die Aufmerksamkeit."
Aufmerksamkeit. Daran hat es in den letzten Ehejahren der Molls auf jeden Fall gefehlt. Man hat sich so eingerichtet in der Arbeitslosenroutine und dem Knuddel-Ehealltag. Auch die frohe Botschaft, die seine Frau vom Jobcenter mit nach Hause bringt, wirft Hans (Axel Prahl) nicht wirklich aus seiner Umlaufbahn. Die Krise, die die Molls noch vor sich haben, haben die Wellineks schon hinter sich. "Abstand" wollte Silvia (Karoline Eichhorn) vom arbeitslosen Ehemann, der sich in den Alkoholismus geflüchtet hat. Einmal beim Arbeitsamt bricht der ganze Frust aus Kurt Wellinek (Herbert Knaup) heraus, als die Vermittlerin ihn nach stundenlangem Warten schnell abfertigen will.
Ein wenig mehr von dieser Wut hätte man Bernd Böhlichs Du bist nicht allein gewünscht. Zweifellos besteht Böhlichs Stärke in der vorsichtigen Erkundung der Gefühlslagen.
Er kann sich dabei auf ein erstklassiges Ensemble verlassen, das über Nuancen Befindlichkeiten auszudrücken versteht. Trotzdem hat man das Gefühl, dass der Film sein Thema mit angezogener Handbremse verhandelt. Zu sehr ist Böhlich damit beschäftigt, seine Tragikomödie über die Folgen der Arbeitslosigkeit in der Balance zu halten. Deshalb erstrahlt Marzahn in schönsten Sommerfarben, fangen sich die Figuren wieder, bevor sie überhaupt abstürzen können, bekommt jeder ein kleines Stück Hoffnung mit auf den Weg.
Der Ausraster beim Arbeitsamt, ein aus dem Fenster geworfener Fernseher, ein paar Tränen vor der Tür der Geliebten - dabei bleibt es. Dann wird die Wut schnell wieder runtergeschluckt und weiter gemacht. Und schon paddelt Frau Moll im Freibad, hält den Kopf über Wasser, obwohl sie doch eigentlich gar nicht schwimmen kann.
Martin Schwickert
D 2007. R&B: Bernd Böhlich K: Thomas Plenert D: Katharina Thalbach, Axel Prahl, Katerina Medvedeva, 90 Min.
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