Dschungelkind Warmer Regen Sabine Kuegler hatte eine außergewöhnliche Kindheit, die sie mit einem autobiografischen Roman und zahlreichen Auftritten in Talk-Shows erfolgreich vermarktet hat. Gerade einmal acht Jahre alt war Kuegler, als sie 1980 mit ihren Eltern fernab der Zivilisation in ein kleines Dorf im Dschungel von West Papua zog. Der Vater war Linguist und erforschte die Sprache des Eingeborenenstammes der Fayu, die vollkommen abgeschieden unter steinzeitlichen Bedingungen lebten. 1,2 Millionen Exemplare von Kueglers Dschungelkind sind über die Ladentische des deutschen Buchhandels gewandert. Da war eine Verfilmung überfällig, und mit Roland Suso Richter (Der Tunnel / Dresden) hat ein routinierter Mainstream-Regisseur die Adaption des Bestsellers übernommen. Für die junge Sabine (Stella Kunkat) ist das Leben im Urwald das reinste Paradies, auch wenn sie sich nur ganz langsam an die Kinder des Dorfes herantastet. Das Haus der Familie steht abseits und der Vater (Thomas Kretschmann) hat mit dem Häuptling eine Duldung bei strikter Nicht-Einmischung in die Stammesangelegenheiten ausgehandelt. Die Traditionen der Fayu wirken für die Gäste aus der westlichen Zivilisation oftmals unbarmherzig. Kranke und Verletzte sind nach Ansicht der Ureinwohner mit einem Fluch belegt, werden aus dem Dorf verstoßen und ihrem Schicksal überlassen. Besonders die Mutter (Nadja Uhl) tut sich als Ärztin mit solch schicksalsgebundenen Regelwerk schwer. Außerdem wird direkt vor dem Fenster der Familie in regelmäßigen Abständen ein blutiger Stammeskrieg ausgefochten. Da bricht der friedliebende Vater irgendwann das Neutralitätsgelübde und geht zwischen die verfeindeten Parteien. In seiner Bestseller-Verfilmung setzt Richter vor allem auf die Kraft der Naturkulisse. Immer wieder holt die Kamera zu ausschweifenden Helikopterflügen über den unberührten Regenwald aus. Schließlich haben die Faszination und die Angst vor den Mächten des dunklen Waldes, von den Gebrüdern Grimm bis zum "Dschungelcamp", seit jeher die erzählerische Fantasie angetrieben. Solange der Film die neugierige Perspektive des Kindes einnimmt, hält er mit ruhigen Beobachtungen von Natur und Stammesleben die Spannung aufrecht. Verlässt Dschungelkind diese Ebene, verfällt er schnell in die klischeehafte Ausarbeitung des Kontrastes zwischen den harten Lebensregeln des wilden Naturvolks und den humanistischen Werten der westlichen Zivilisation. Dass beide Seiten ein bisschen voneinander lernen, gehört zur völkerverständigenden Haltung des Filmes. Allerdings hat die Kommunikation zwischen den Kulturen hier keinen erzählerischen Rückhalt in den Figuren, da die Fayu allenfalls schemenhaft als Charaktere zu erkennen sind. Auch die Schwierigkeiten, die das Mädchen bei seiner Rückkehr nach Deutschland hat, werden nur flüchtig in einer dürftigen Rahmenhandlung skizziert. Damit verschenkt Richter im warmen Regen der schönen Bilder den Konflikt, der Kueglers Lebensgeschichte eigentlich erst interessant macht. Martin Schwickert D 2011 R: Roland Suso Richter B: Richard Reitinger, Natalie Scharf K: Holly Fink D: Thomas Kretschmann, Nadja Uhl, John Keogh
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