Drive

Need for Speed

Ein existentialistischer Thriller ohne Anfang und Ende

Ein Film über einen Fluchtwagenfahrer als Hauptfigur, der seine erste Verfolgungsjagd nach gut 50 Minuten in Szene setzt, ist zumindest mutig. Und er sollte in den ersten 50 Minuten mehr zu bieten haben als das leere Gesicht von Ryan Gosling und die leeren Interrieurs des Innenausstatters. In Drive allerdings ist alles Stil und Pose, und das seeeeeehr langsam.

Ryan Gosling ist Stuntman und Autoschrauber und Kleinkrimineller. Er redet nicht viel und hat auch nur ein Gesicht. Das zeigt meistens keine Emotionen. Als er eine nette Wohnungsnachbarin kennenlernt, deren Mann in Schwierigkeiten steckt, lässt er sich auf ein Geschäft ein, in dessen Verlauf die meisten Beteiligten die Existenzebene wechseln werden.

Weil Regisseur Nicolas Winding Refn sich mit seiner Pusher-Trilogie und dem schlammigen Metzelfilm Walhalla Rising einen gewissen Ruf erworben hat, verliert Drive immer dann seine Liebe zum Stil, wenn's ans Töten geht. Da wird auf eine Art und Weise gemetzelt, die im Mainstreamkino nicht oft vorkommt. Dass der bezaubernden Christina "Mad Men" Hendricksen in Zeitlupe die Schädeldecke weggeschossen wird, ist noch die harmloseste Sequenz. Selbst der dauercoole Ryan Gosling tritt einen Mietkiller im Fahrstuhl zu Matsch.

Das Schlimme ist nicht mal die Langeweile, die dieser geschichtslose Thriller verbreitet; die lässt sich durch Gastauftritte von Ron Perlman, Bryan "Breaking Bad" Cranston und sogar Albert Brooks (sehr gut als Oberbösewicht) überbrücken. Auch das alberne Rollenbild (Carey Mulligan als Nachbarin muss ununterbrochen erschrocken gucken) und die vielen Regiefehler ließen sich ertragen.

Schlimm ist die präpotente Pose des Bedeutsamen. Schlimm ist die jämmerlich scheiternde Imitation großer Vorbilder (von Tarantino über Eastwood bis Melville), weil Refn nicht verstanden hat, dass Coolness und Kontrollverlust einander ausschließen. Und schlimm ist die Musik, mit der Refn das unterlegt hat: Ein billiger Plastik-Elektropop, der in das, was da gerade nicht passiert, immer wieder bedeutsam hereinquasselt.

Am Ende fährt der Fremde ohne Namen aus der Stadt. Stark blutend und sehr langsam. Wir sind trotzdem froh, dass er mit allem nach 90 Minuten fertig war.

Thomas Friedrich

USA 2011 R: Nicolas Winding Refn B: Hossein Amini K: Newton Thomas Sigel D: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks, Christina Hendricks, Ron Perlman