GHOST DOG - DER WEG DES SAMURAI


Der Profi

Jim Jarmusch hat eine Idee vom "Eiskalten Engel"

Jim Jarmusch (Stranger than Paradise, Down by Law) gehört zu den wenigen amerikanischen Independent-Filmern, die einen Flirt mit dem Mainstream-Kino strikt verweigert haben. Wenn Jarmusch Genrekino macht, dann unter strenger Missachtung des Regelwerks. Dead Man war eine Art Anti-Western, und sein neuer Streich Ghost Dog kommt als entspannte Gangster-Movie-Meditation daher.
Ghost Dog das ist zuallererst Forest Whitaker (The Crying Game, Smoke). Sein schwarzer massiger Körper trägt den Film mit gelassenem schweren Schritt. Ghost Dog ist ein Auftragskiller, der das Morden mit fernöstlicher Kontemplation betreibt. Ein alter Samurai-Text der japanischen Kriegerkaste dient ihm als Leitfaden, nach diesem traditionellen Ehrenkodex organisiert der Hitman Berufs- und Privatleben. In einem Taubenverschlag über den Dächern der Stadt haust er in asketisch-klandestiner Einsamkeit. Sein einziger Freund ist ein französischer Eisverkäufer, der kein Wort Englisch spricht. Verständnisvoll reden die beiden in verschiedenen Sprachen aneinander vorbei.
Mit lautloser Perfektion betreibt Ghost Dog sein Handwerk. Hauptauftraggeber ist eine abgetakelte Vorstadt-Mafia-Gang. Sakko, getönte Brille, Goldkettchen, alles was dazugehört - nur beim Treppensteigen kommen die Alt-Mobster aus der Puste. Als ausgerechnet die Tochter des Paten Zeugin wird, wie Ghost Dog im Auftrag des Vaters ihren Geliebten "Handsome Frank" erschießt, hetzt der Mafia-Chef sein gesamtes Personal auf den Profi-Killer. Der Samurai sieht sich gezwungen, die japanische "Poesie des Krieges" in die Tat umzusetzen.
In der Ruhe liegt die Kraft. Es wird geschossen und gestorben - beiläufig, jedoch ohne Tarantino-Zynismus. Der Ehrenkodex des Samurai und die in die Jahre gekommenen Werte des italienischen Mafia-Clans bekämpfen sich in einer Gegenwart, die dem recht gleichgültig gegenübersteht. Jarmuschs Mobster gleichen einem kleinkriminellen Senioren-Club. Er hat den alten Männern wunderbar, dusselige Dialoge ins Skript geschrieben, die das Mafia-Pathos des Genres genüsslich karikieren. Ghost Dog ist als moderne Hip-Hop-Version von Melvilles Eiskaltem Engel angelegt. Damals spielte der junge, zarte Alain Delon mit betörender Trenchcoat-Eleganz den wortkargen Samurai-Killer. Nicht weniger stilvoll bewegt sich Forest Whitaker zu den erlesenen Ambient-Rap-Klängen von RZA und des Wu-Tang-Clans durch die verlorenen Hinterhoflandschaften New Yorks.

Martin Schwickert