DISTRICT 9 Nach Hause Hier ist alles geklaut, und trotzdem ist »District 9« einer der intelligentesten und spannendsten Science Fiction-Filme seit Jahren Als die Aliens kamen", sagt einer der Zeitzeugen in die Kamera, "habe ich mich schon gewundert, dass ihr Raumschiff nicht über Manhattan oder Chicago auftauchte. Sie kamen direkt nach Johannesburg." Das war, aus Sicht der Aliens, sicher ein Fehler. Denn in Johannesburg, Südafrika, hat man Erfahrungen mit Apartheid und Rassismus, und so werden die Fremdlinge, die krank und erschöpft auf ihrem großen Raumschiff hausen, kurzerhand in einem Lager zusammengefasst, in dem Slum "District 9". Seitdem gibt es nichts als Ärger. Die schwarzen Slumbewohner sind mit ihren neuen Nachbarn nicht einverstanden ("Die sollen machen, dass sie wieder nach Hause kommen", sagt einer wütend in die Kamera), überall gibt es Schilder mit der durchgestrichenen Silhouette der Aliens: Nicht erwünscht, verboten, draußenbleiben. Derweil wird District 9 einfach eingezäunt, mit Wachttürmen versehen und einem dubiosen internationalen Konzern namens "MNU" unterstellt (der eigentlich Waffen herstellt). Niemand weiß mehr genau, was in District 9 vor sich geht. Und jetzt sollen 1,8 Millionen Aliens umgesiedelt werden. Wikus van de Merwe von der MNU soll diese Aktion leiten, und wir sehen schnell, dass er eine Pfeife ist: Schwiegerpapa hat ihn auf diesen Posten gehievt und droht ihm, er solle ihn bloß nicht blamieren. Aber genau das tut Wikus, der mit naiver Fröhlichkeit mit seinem Trupp in den "District 9" einmarschiert, wo ihm bald alles entgleitet. Wir werden erfahren, warum die MNU (als Waffenkonzern!) wirklich an den Aliens interessiert ist, warum die "Nigerianer", die schwarzen Gangster von District 9, Aliens verspeisen und warum Wikus van de Merwe plötzlich heulend in irgendeinem Keller der MNU sitzt, wo man ihn zwingt, auf Aliens zu schießen und ihm anschließend den Brustkorb aufschneiden möchte ("Wird er diese Prozedur überleben?" - "Natürlich nicht!"). Neill Blomkamp hat all diese Versatzstücke - von Welles' Krieg der Welten über Alien Nation bis Transformers wird der Bestand des Genres geplündert - äußerst temporeich und intelligent zu einem Film zusammengesetzt, der einen scheinbar atemlos durch seine Geschichte hetzt und dessen ständig verwackelte Doku-Kamera scheinbar zufällig wichtige Ereignisse erwischt. Blomkamps alter Kumpel (die beiden kennen sich laut Wikipedia seit ihrer Kindheit) Sharlto Copley als van de Merwe ist dabei überwältigend gut. Aus dem scheinbaren Depp, dem durchaus gefährlichen Trottel wird ein Held, dem in seiner Verzweiflung nichts anderes übrigbleibt, als die Seiten zu wechseln. Vom albernen Büroclown zum Actionhelden im großen Finale gegen den Bösewicht der MNU - diesen Weg geht Copley unter Schmerzen, aber jederzeit glaubhaft. Das Ende ist wiederum eine poetische Reminiszenz an Blade Runner , und neben der schweißtreibenden Geschichte und dem optisch rupigen Stil, fernab von allem öden Star Trek- und Star Wars-Heorismus, beeindruckt Bloomfelds Souveränität, mit der er scheinbar mühelos die letzten 40 Jahre SF-Filmgeschichte neu zusammensetzt. Was Pulp Fiction für den Thriller war, könnte District 9 für den Science Fiction-Film werden. Das hat auch der deutsche Verleiher rasch begriffen: Nach einem überwältigenden Start-Wochenende in den USA (das die läppischen 30 Mio Dollar Produktionskosten sofort wieder eingespielt hatte), ist der Filmstart blitzschnell auf den September vorgezogen worden. Alex Coutts Südafrika / Neuseeland 2008. R: Neill Blomkamp B: Neill Blomkamp, Terri Tatchell K: Trent Opaloch D: Sharlto Copley, Jason Cope, Nathalie Boltt
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