DIE LIEBE IN DEN ZEITEN DER CHOLERA Lange Laufzeit Es gibt Romane, die besser unverfilmt bleiben. Das hier war so einer. Ich habe für dich meine Unschuld bewahrt" sagt Florentino, als er das erste Mal mit seiner Angebeteten im Bett liegt. Der Mann ist weit über Siebzig, hat mit genau 622 Frauen geschlafen und über seine amourösen Abenteuer genau Buch geführt. Trotzdem lügt er nicht. Denn sein Herz hat Florentino (Javier Bardem) nur einmal verschenkt, als er vor 51 Jahren Fermina (Giovanna Mezzogiorno) gesehen hat. Florentino Ariza - so wie ihn Gabriel García Márquez in seinem Roman Die Liebe in den Zeiten der Cholera entworfen hat - ist der treueste und skurrilste romantische Held der Literaturgeschichte. Die Liebesgeschichte zwischen Fermina und Florentino, die sich blutjung ineinander verlieben, jedoch erst im hohen Alter zueinander finden, ist mehr als ein geradliniges Melodram, das den Romantikvollzug fast über ein ganzes Menschenleben hinauszögert. Zuviel Ironie, literarische Schnörkel, philosophische Verspieltheit und magischer Realismus sind in García Márquez' Roman eingewoben, um ihn in das Genrekorsett einschnüren zu können. Über Jahrzehnte hinweg hat sich der Autor einer Verfilmung strikt verweigert, wohl weil er ahnte, dass Hollywood aus der Vorlage nur den Schnulzenanteil extrahieren würde. Nun haben der britische Regisseur Mike Newell ( Harry Potter und der Zauberkelch ) und sein Drehbuchautor Ronald Harwood ( Der Pianist ) als erfahrene Literaturverfilmer den Zuschlag bekommen und zeigen sich sichtbar bemüht, der meisterlichen Vorlage gerecht zu werden. Und so hat ihr Film den Charakter einer Fleißarbeit. Die Liebesgeschichte wird ohne größere Handlungsverluste zu einem Filmplot zusammengeschmolzen, und die ornamentale Sprache, mit der García Márquez das Kolumbien des ausgehenden 19. Jahrhundert beschreibt, wird an Originalschauplätzen in pittoreske Landschaftsaufnahmen und stimmungsvolle Stadtansichten übersetzt. Dennoch will diese große, machtvolle und fast schon groteske Romanze auf der Leinwand nicht richtig Gestalt annehmen. Als amouröser Historienschinken mit maßvoller Kitschdosierung hat Die Liebe... auf der Leinwand durchaus Bestand. Mit den großen Kinomelodramen und der meisterlichen Erzählung seiner literarischen Vorlage kann es Newell jedoch nicht aufnehmen. Obwohl Javier Bardem sich in der Rolle des Liebeskranken tapfer durch die Dekaden kämpft, bleibt die Charakterstudie dieses manisch-tragisch-schalkhaften Liebhabers unterbelichtet, weil das Drehbuch zu sehr auf die narrative Planerfüllung schielt. Am meisten leidet Newells Film jedoch an der unlösbaren Aufgabe, die Schauspieler vor der Kamera um fünfzig Jahre altern zu lassen. Vor allem die finale Schlüsselszene, in der sich die turbulente Lebens- und Liebeserfahrung des verhinderten Paares bündelt, verschwimmt durch die obskuren Körper- und Gesichtsprothesen, mit denen man die arme Giovanna Mezzogiorno (33) altersgerecht zu deformieren versucht, im Nirwana unfreiwilliger Komik. Martin Schwickert Love in Time of the Cholera USA 2007 R: Mike Newell B: Ronald Harwood nach einem Roman von Gabriel García Márquez K: Alfonso Beato D: Javier Bardem, Giovanna Mezzogiorno, Benjamin Bratt
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