DEUTSCHLAND. EIN SOMMERMÄRCHEN
Schweinicam Sönke Wortmann durfte mit in die Dusche
Mitten im Auge des Orkans soll es immer besonders ruhig sein. Und genau dort hielt sich Sönke Wortmann während der WM auf. Mit dem Segen der FIFA und des DFB durfte der Regisseur (Das Wunder von Bern) die Nationalelf auf Schritt und Tritt begleiten.
Anders als es der schwärmerische Filmtitel vermuten lässt, bekommen wir nur die Binnenperspektive zwischen Hotel, Umkleide und Mannschaftsbus zu sehen.
Das "schwarz-rot-geile" (BILD) Deutschland musste leider draußen bleiben. Lediglich ein paar an den Teambus herüberschwappende La-Ola-Wellen lassen kurz die Stimmung im Lande erahnen.
Statt WM-Euphorie setzt der Regisseur ganz auf gnadenlosen Ich-war-dabei-Realismus, der auch vor dem Klo nicht halt macht. Wenn Oliver Neuville etwa beim Urin-Test nicht kann, wird so lange gefilmt bis der Becher voll ist. Und während die verschwitzten Kicker halbnackt in der Kabine debattieren, ist man wirklich froh, das es noch kein Geruchs-Kino gibt. Wackelige Kameraführung, grobkörnige Auflösung, saumieser Ton - der Zuschauer fühlt sich manchmal wie in einer puristischen Dogma-Verfilmung.
Bringt Sönkes Bohei um Intimität denn wenigstens neue Erkenntnisse? Eher nicht. Alle sind hier so, wie sie eben sind. Da schwäbelt sich Klinsi aufgeregt durchs Motivations-ABC, während der Jogi mit kaugummikauender Coolness daneben steht. Und der Schweini ist immer ein ganz Lustiger, der morgens beim Wecken dem Poldi auf, bzw. an die Eier geht. Manchmal filmen sich die beiden auch gegenseitig. "Schweinicam" oder "Poldicam" wird dann unten im Bild eingeblendet. Ballack hält sich dagegen aus allem raus, während Lehmann und Kahn sich vor der Kamera ihre Missachtung bestätigen.
Weiteres Konfliktpotential oder gar echte Überraschungen sind jedoch Fehlanzeige. Das gibt Sönke Wortmann auf der Homepage seines Filmes sogar selber zu.
Man mag ihm die permanent gute Stimmung in der Elf angesichts ihres Erfolges auch glauben. So ist aus dem Projekt schließlich eine verwackelte Backstage-Doku über eine recht sympathische Fußballmannschaft geworden. Wer sich auf orgastisches Public-Viewing im Kino freut, wird das wohl zu unspektakulär finden.
Frank Krings
D 2006 R: Sönke Wortmann B: Sönke Wortmann K: Sönke Wortmann, Frank Griebe, D: Die deutsche Nationalelf der WM 2006
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